Niedermayr G. & F. Brandstätter / 2000

 

 Fire-clay von Zwein bei St. Veit an der Glan Kärnten.

Von Eridt NEUWIRTH, Graz 1
Mit 4 Abbildungen

Um Zwein westlich von St. Veit an der Glan wurden von der Österr. Alpine Montangesellschaft 1954/56 umfangreichere Schurfversuche auf Magnetitquarzite und geologische und lagerstättenkundliche Untersuchungen angestellt. Ein auffallendes Ergebnis dieser Arbeiten war die Feststellung einer ungewöhnlich tiefgreifenden Verwitterung des Phyllits. Einer Aufforderung von Prof. Dr. F. KAHLER (Landesmuseum für Kärnten) folgend, wurde im zur näheren sedimentpetrographischen Untersuchung der veränderten Phyllite herangezogen. Im danke dem Amte der Kärntner Landesregierung für die Ermöglichung dieser Arbeit, denn es ergab sich durch die neuen Aufschlußarbeiten eine einmalige Gelegenheit, tiefgründige Verwitterungsböden auf phyllitischen Gesteinen kennen zu lernen. Über die geologischen und Lagerstättenkundlichen Verhältnisse des Gebietes sind Veröffentlichungen von Dr. W. FRITSCH und Dr. H. MEIXNER (Lagerstättenuntersuchung der ÖAMG in Knappenberg) zu erwarten.
Ein zur Zeit der Begehung (Oktober 1955) bestehender Schacht besaß eine Tiefe von 10 Metern und hatte damit noch nicht unverändertes Gestein erreimt. Diese mächtige Verwitterungskruste enthält Härtlinge quarzitischer Natur von sehr verschieden er Größe und ist in sich durch Farbunterschiede (Eisenoxydhydratanreicherungen) gegliedert. Völlig eisenfreie Partien dieses Komplexes haben für eine kurze Darstellung der Genese besondere Bedeutung.
Eine solche Probe vom Schurfschacht aus 5,5 m Tiefe (Sammlung Lagerstättenuntersuchung der ÖAMG) besteht zu über 95 Volumprozent aus feinen bis feinsten farblosen Blättchen ohne kristallographische Begrenzung. Neben den Blättchen sind auch Säulmen (Blattpakete) zu sehen, die randlich aufgespaltet und gebogen sind und an aufgeblähte Glimmer erinnern. Die Doppelbrechung ist sehr schwach, auch dickere Blättchen gehen nicht über hellgraue Interferenzfarben hinaus. Die Lichtbrechung beträgt in der Blättchenebene durchschnittlich 1,567 (ny = nz ). Sehr feine Blättchen scheinen um ein geringes (etwa 0,002) unter diesem Wert zu liegen. An einigen größeren Individuen ist deutliche Zweiachsigkeit zu erkennen, der Achsenwinkel (2 V) liegt bei  25°. Diese Daten weisen auf ein Verwitterungsprodukt, das dem Kaolinit nahezustehen scheint.
Daneben kommt Quarz in verschiedenen Größen vor, unterhalb 0,02 mm scheint er jedoch völlig zu fehlen. Vielfach besitzt er eine durch Verwitterungseinflüsse veränderte Oberfläche, deren Formen sich "korrosionsartig" ausnehmen. Sehr vereinzelt ist außerdem Limonit und Hämatit vorhanden.
Die weitere Untersuchung (mit DTA, Röntgen-Pulvermethode und Elektronenmikroskop) ließ erkennen, daß die feinen Fraktionen (unter 0,01 mm) fast gänzlich aus demselben blätterigen Material bestehen, das lichtoptisch als dem Kaolinit nahestehend bezeichnet wurde. Die Ausbildung der Röntgeninterferenzen zwischen den Werten 4,60 und 4,1 bzw. zwischen 2,80 und 2,20 A bezeugt, daß das vorliegende Kaolinmaterial eine geringe Ordnung besitzt und als fire -cIay  MineraI anzusehen ist. Mit diesem Befund stimmt das DTA-Verhalten der Probe überein. Darüber hinaus sind im Elektronenmikroskop genetisch wichtige Einzelheiten zu erkennen. Das Material ist feinblättrig (Abb. 1) und gibt elektronenoptisch im Unterschied zur röntgenographischen Aufnahme ein schönes, verhältnismäßig linienreiches Diagramm. Viele Blättchen, wie z. B, das große in Abb. I und 2, zeigen im Dunkelfeld deutliche Bildinterferenzen, deren Qualität von derjenigen eines gut geordneten Kaolinites deutlich unterschieden ist. Neben einer Restlinie sind nur noch Interferenzen in Form von Punkten zu sehen, Abb.2.
Die Ordnung in diesem Blättchen ist mithin so gering, daß selbst der kleinwellige Elektronenstrahl zu kleine Ordnungsbereiche vor findet, um die üblichen, zusammenhängenden homogenen Beugungseffekte in Streifenform erzeugen zu können. Die mit dieser Erscheinung gekennzeichnete Ordnung bzw. Unordnung ist die natürliche und wurde nicht durch die Erhitzung im Elektronenmikroskop hervorgerufen. Sie ist, wie die Bildinterferenzen und die Sammelbeugung bestätigen, sehr strahlungs- und hitzebeständig. Diese Feststellung läßt erkennen, daß offenbar dieser schlecht geordnete Zustand viel Energie erfordert, um in die amorphe Phase des Metakaolins übergeführt werden zu können. Die Bestimmung dieses Materiales bestärkte weiterhin die Feststellung, daß schlechter geordnete Kaolin-Minerale häufiger sind, als ideal kristallisierte.
Aus weiteren Einzelheiten unter dem Elektronenmikroskop lassen sich auch einige Aussagen zur Genese des fire-clay-Minerales machten. Ähnlich wie im Lichtmikroskop sind auf dem Leuchtschirm des EM. und in den Abbildungen (Abb. 3 und 4) neben Blättchen auch Schichtstöße zusehen, die seitlich eine starke Aufspaltung zeigen. Bei eisenfreien Glimmern tritt eine derartige Auflockerung ihres Schichtenbaues als erstes Kennzeichen eines beginnenden Abbaues in Erscheinung. Chemisch ist dieses Stadium durch einen starken Mangel an Alkalien gekennzeichnet. Der weitere Abbau folgt dieser Tendenz und spaltet schließlich die Schichtpakete zu verschieden dicken Blättchen auf. Abb. 4 zeigt ein Teilchen, an dem gerade dieses Stadium sehr gut zu sehen ist. Während der rein äußerlichen Veränderung ist im Inneren des Kristalles meist eine sehr wesentliche Änderung vor sich gegangen. c. ANDREATTA . (I; 2) und M. L. JACKSON mit Mitarbeitern (5) haben sich mit der Tonmineralbildung aus Glimmern besonders beschäftigt und den eben geschilderten Aufspaltungsvorgang als wesentlichsten Teil dieser Tonmineralbildung herausgestrichen. Die Aufspaltung eines zu Anfang kompakten Glimmerpaketes führt nach Ansicht der genannten Forscher zu recht verschiedenartigen Teilpaketen. Und zwar werden neben dicken, fast unveränderten Paketen feine Pakete abgespalten, die, wenn keine chemischen Veränderungen stattgefunden haben. sich zufolge ihrer geringen "Ordnungstiefe" röntgenamorph verhalten können. Ein in dieser Weise aufgelockerter Schichtstoß wird bei Pulveraufnahmen verbreiterte Interferenzen und eine stärkere Untergrundschwärzung des Filmes zeigen. Tritt aber gleichzeitig mit der Aufspaltung auch ein Stoffaustausch ein, so kann nach W. LAATSCH (6) die Reihe

                                         Vermiculit  
   Glimmer     --      llit                                   Kaolinit    --   Hydrargillit
                                      Montmorillomt

entstehen. Davon ist die Reihe: Glimmer -Illit -Montmorillonit in bezug auf die gitterbauliche Umgestaltung wesentlich einfacher und da her auch häufiger als jene zu Kaolinit. Die erstgenannte Reihe konnte auch von S. CAILLERE und S. HENIN (3) im Laboratorium in beiden Richtungen ausgeführt werden. Bei dieser Reihe handelt es sich, wie w. LAA TSCH es ausdrückt, um einen Schichtpaketabbau. Die andere Reihe Glimmer -Illit -Kaolinit ist offenbar viel seltener. Gerade dieser Fall liegt aber im Zweiner Material vor.
Der Umbau von Serizit in fire-clay-Mineral bzw. Kaolinit erfordert eine sehr tiefgreifende Strukturveränderung. Die Aufspaltung der Serizitpakete und der Austritt von Kalium stellen nur den Anfang dieser Umwandlung dar. Dies geht aus dem Vergleich der bekannten Struktur-Schemata von Glimmer und Kaolinit unmittelbar hervor: Auf Grund der im elektronenmikroskopischen Bild ablesbaren Einzelheiten und der komplizierten Umwandlung ist anzunehmen, daß der Abbau unter Wahrung der Form vor sich ging und daß Teil um Teil derbe stehenden Serizitstruktur von der des fire-clay-Minerales ausgetauscht wurde. Die Kristalle des fire-clay-Minerales sind danach als Pseudomorphosen nach Serizit aufzufassen. Die schlechte Ordnung der Individuen machte es bisher unmöglich, mit Sicherheit festzustellen, ob die Pseudomorphosen Einkristalle oder Aggregate sind. Einzelne Beobachtungen deuten an, daß beide Strukturarten vorliegen.
Daß bei so umfangreichen Umkristallisationen nicht nur die alten Blättchen des Serizites in fire-clay-Material abgebildet werden, sondern, daß sich auch H a l l o y s i t röllchen getrennt davon entwickeln, scheint ohne weiteres verständlich zu sein, Abb. 4.
Das Zweiner Material hat die oben geschilderte Umwandlung vom Serizit zum fire-clay-Mineral duchlaufen. Die Stärke der Verwitterungsvorgänge ist aber elektronenoptisch nicht nur an der Umwandlung des Serizites, sondern auch an der des H ä m a t i t s abzulesen. Der Eisenglimmer, ein an sich schwer verwitterbares Oxyd, ist in seinen feinen Größen zu G o e t h i t pseudomorphosiert. Diese Umwandlung geht offenbar parallel mit der Serizit-Umwandlung.
Der gegenüber Kaolinit verfrühte und in die Breite gezogene exotherme Effekt (vgl. K. JASMUND, 4) wird auf Unordnungszustände und Substitution in Tetraeder und Oktaederschichten zurüdckgeführt. Ob neben der festgestellten geringen Ordnung des Zweiner Materiales auch Substitution vorkommt, müßte noch näher untersucht werden.

Literatur
(1) ANDREATTA, C.: Studio di un nuovo termine della serie illiti-idromiche in giacimento idrotermale e considerazioni sui passaggi miche-idromiche montmorillonite. Periodico di Mineralogia, 18., Roma 1949, 11-31.
(2) ANDREATTA, C.: Sopra l'alterazione delle miche.
Rend. Soc. Min. Italiana, 6., Pavia 1949,3-11.
(3) CAILLERE, S. -HENIN, S.: Transformation of minerals of the montmorillonite family into 10 A micas.
Min. Mag. 28., 1949, 606-611.
(4) JASMUND, K.: Die silicatischen Tonminerale. 2. Aufl., Monographien Zu "Angew. Chem." und "Chemie-Ingenieur-Technik", Nr. 60, Weinheim 1955, 1-192.
(5) JACKSON, M. L., und Mitarbeiter: Weathering sequence of clay-size minerals in soils und sediments; II. Chemical weathering of layer silicates. Soil. Sci. Soc. Amer. Proc., 16., 1952, 3-6.
(6) LAATSCH, W.: Dynamik der mitteleuropäischen Böden. Dresden und Leipzig 1952 (Th. Steinkopf).

 

1 Aus dem Institut für Mineralogie und Technische Geologie der Technischen Hochschule, Graz.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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