Kahler F. & G. Kahler / 1953

  Das Muschelkalk-Konglomerat der Südalpen.

Von Franz und Gustava KAHLER, Klagenfurt.

Eines der auffallendsten Schichtglieder in der gewaltigen Folge von Gesteinen, die sich in den Karnischen Alpen von der Karbontransgression bis in die obere Trias hinein aufbaut, ist zweifellos das Muschelkalk-Konglomerat.
Seine Verbreitung ist beträchtlich. Wir kennen es z.B. aus Südtirol, den Karnischen Alpen, den Karawanken und erkennen, was uns besonders wichtig erscheint, auch seine Verbreitung in den Dinariden.
KLEBELSBERG hat das Verdienst, in seiner Geologie von Tirol übersichtlich dargestellt zu haben, wie in Südtirol schon im Verbande der obersten Werfener (Campiller) Schichten stellenweise dünne Konglomeratlagen mit kleinen Geröllen auftreten, wie aber erst als Abschluss der Campiller Schichten mit scharfer Grenze das Muschelkalk-Konglomerat abgelagert wurde, das 1 bis höchstens 10 m mächtig wird. Es enthält hauptsächlich Gerölle aus Gesteinen der Werfener (also Seiser und Campiller) Schichten, spärliche Gerölle auch aus den Bellerophonschichten und ganz vereinzelt Gerölle eines Marmors unbekannter Herkunft. Grobe Bänke wechseln mit feinen; stärkerer Anteil an Campiller Geröllen bedingt eine rötliche Färbung. Die Gerölle werden bis kopfgross.
Besonders bemerkenswert ist seine Feststellung, daß das Muschelkalk-Konglomerat in der Gegend von. Predazzo und in den Sextener Dolomiten fehle. Nur ganz spärliche Ansätze seien im Marmolatagebiet zu erkennen.
Wir sehen daraus zweierlei:
a) am Ende der Werfener Schichten setzte kurzfristig eine kräftige Erosion ein, die bis zu kopfgrosse Gerölle liefern konnte, anscheinend örtlich verschiedene Geröllströme erzeugte, die "eben erst" sedimentierten Werfener Schichten durchschnitt und die Bellerophonschichten noch angriff,
b) schon im Bereich der Südtiroler Dolomiten ist die Erscheinung nicht allgemein. Weiter verbreitet ist das Konglomerat in geringer Mächtigkeit (Pelmogebiet, VAN HOUTEN, Vigiler Dolomiten, MUTSCHLECHNER). Wichtig ist, daß es in der Schichtfolge von Recoaro fehlt.
Im ganzen Raum der Dolouiten ist es ein bemerkenswertes, aber doch kein grosses Ereignis. Immerhin konnte KLEBELSBERG von einer allgemeineren Verschiebung der Strandlinie reden.
Im Bereich der Karnischen Alpen ging die Erforschung des Muschelkalk-Konglomerates von Uggowitz aus, wo schon FRECH diese von STACHE beschriebenen Konglormerate in den Unteren Muschelkalk stellte. Von hier Stammt ein wesentlicher Teil der Fusuliniden, die SCHELLWIEN aus den Karnischen Alpen beschrieben hat. Der Abtrag schneidet hier viel tiefer ein, nämlich bis in schwarzen Fusulinenkalk, also mindestens bis ins tiefere Unterperm. Bedeutsam ist die Bestätigung GORTANI's, daß er Fusulinenkalke nur in Uggowitz sah. Auf diese Tatsache einer besonders tiefgreifenden Erosion haben wir 1937hingewiesen. GORTANI betonte, daß man das Konglomerat am Südhang der Karnischen Alpen und in den Juliern, im Süden bis fast zur Tagliamento finden könne. Er glaubt, dass durch die Bewegungen nur ein Teil der Karnischen Kette betroffen wurde.
In den Karawanken ist das Konglomerat von TELLER verbreitet nachgewiesen worden und es geht bis in die Hügel "von Weitenstein hinein.
IM Gebiet des Loiblpasses ist es aber doch schon recht geringmächtig und besteht hier aus drei, mehrere Meter starken Bänken, die in roten, seidigglänzenden, feinblättrigen Tonschiefern liegen. In den Konglomeraten sind hier Eruptivgesteinsstücke nachzuweisen. Die vulkanische Tätigkeit geht hier bis in die Buchensteiner Schichten (Agglormerate und Tuffe knapp südlich des Passes), es kommt aber ein Tuff auch in den Campiller Schichten knapp unter dem Konglomerat auf der Nordseite des Kammes vor und FELSER hat im Bärental wahrscheinlich gemacht, daß auch hier die Eruptionen im Skyth beginnen.
Bevor wir uns jedoch dieser Frage etwas mehr widmen wollen, sei noch erwähnt, dass nach PIA (1935) Konglomerate im bosnischen Muschelkalk vollkommen zu fehlen scheinen, während nach BUKOWSKI (1906) im Kartenblatt Spizza (Süddalmatien) das Muschelkalk-Konglomerat streckenweise zu bedeutender Mächtigkeit anschwillt.
Nach ihm sind hier hauptsächlich Werfener Schichten aufgearbeitet worden. Anscheinend bildet das bekannte Vorkommen von Matkovic eine Ausnahme. Die hier massenhaft eingeschlossenen, teilweise grösseren Gerölle aus mittelpermischen Neoschwagerinenkalk liessen BUKOWSKI an eine Transgression auf „Oberkarbon" (damals hielt man diese Kalke noch für älter) denken.
Das Ereignis einer Abtragung in den Südalpen und in den Dinariden bis weit nach Süden -weitere Nachweise mögen in diesen Zusammenhang nicht erfolgen -weist auf eine gewisse Einheitlichkeit des betrachteten Raumes hin, dessen Gesteine später in recht verschiedener Weise von Gebirgsbildungen erfaßt wurden.
Wir erkennen das ursprünglich lückenhafte Auftreten; Konglomerate verteilen sich eben nicht über grosse Flächen. BUKOWSKI fand im Bindemittel Leitfossilien des Muschelkalkes: es war eine Bildung im Muschelkalkmeere, jedenfalls im unmittelbaren Küstensaum. Wir möchten glauben, daß dies auch für die übrigen Vorkommen gelten könnte, doch muss man vorsichtig sein.
Wir haben gesehen, dass anscheinend im Bereiche größter Mächtigkeit (Uggowitz) die Eingriffstiefe bis in die dunklen Kalke, also unter den Trogkofelkalk reicht. In den ausgezeichneten Aufschlüssen der Reppwand (Höhe;; 1998 m), deren Profil GEYER beschrieben hat, fanden wir vor dem Kriege mit FELSER Spuren vulkanischer Tätigkeit und 1951 auf der Verflachung unter dem Sattel (1914m) einen Porphyrit, der randlich deutlich das Muschelkalk-Konglomerat beeinflußt. PREY wird hievon eine genauere Schilderung liefern. GEYER, der das Reppwandprofil zu regelmässig zeichnete, bezeichnete dieses Gestein als Pietra verde.
Die genauere Untersuchung des Geröllinhaltes des Muschelkalk-Kongloraerates zeigt, daß hier der Eingriff in die Schichtfolge nicht allzu groß war: mit Sicherheit wurde nur noch der Bellerophondolomit, dieser allerdings im Gegensatz zu den Südtiroler Dolomiten noch kräftig, angegriffen. Die Transportweiten waren anscheinend nicht gross gewesen. So fanden wir in den tiefen Lagen, die sich durch besonders häufige grosse Gerölle auszeichnen, einen dichten hellgrauen Kalk von 60 mal 40 mal 40 cm aus den Werfener Schichten und einen schlecht gerundeten roten Oolith von 55 mal 45 und mindestens 40 cm. Es scheint, daß hier kein Gerölle von Trogkofelkalk vorkomme.
In den höheren Bänken findet man dann Porphyritstücke, die zunächst stets grösser sind und nicht unter 10 cm gross werden. Höher oben, etwa 10 m und mehr über dem Schichtbeginn, der leider schwer bestimmbar ist, werden kleine Porphyritstückchen häufiger. Sie wittern gut heraus, sind aber gewöhnlich nicht im Verband gewinnbar. In einem Falle liegt ein Porphyritstück von 8 mal 10 cm; das bereits 2 cm herausgewittert ist, in einer Sandsteinbank, wobei deutlich abgespaltene Teilchen als Sand neben ihm in dm Sandstein liegen. Hier hatten wir den Eindruck, daß es sich um eine Bombe handeln könnte.
Wäre diese Auffassung richtig, dann müßte zwischen der Höherstellung eines Teiles der Schichtfolge mit der damit bedingten Abtragung und einer vulkanischen Eruption unterschieden werden. Es wäre der auffallend tiefe Eingriff bei Uggowitz vielleicht mit einer Sprengwirkung zu erklären, wobei die Sprengtrümmer nachträglich als Konglomerat sedimentiert worden wären.
Herrn Dr. PREY verdanke ich die wichtige Mitteilung, daß er bei der vorjährigen Kartierung des Gartnerkofels am Kühweger Köpfl im unteren Teil des etwa 30m mächtigen Konglomerates eine dünne, graugrün bis violett gefärbte Bank von Pietra verde fand. Das im Porphyrit gelegene und von ihm beeinflußte Konglomeratband scheint von der Hauptbank zu unterscheiden sein und dürfte etwas höher liegen.
Der Nachweis des Pietra verde-Bandes in den unteren Teilen des Muschelkalk-Konglomerates, das stratigraphisch nur wenig höher als das von uns am Loibl entdeckte Tuffband liegt, bestätigt die Auffassung vulkanischer Beeinflussung dieses Raumes zur Zeit des Absatzes des Muschelkalk-Konglomerates. Nur ist sie im Bereich des heutigen Gartnerkofels schon geringer.
Jedenfalls läßt sich die Angabe GORTANI´s bestätigen, daß der Eingriff in die Schichtfolge nur bei Uggowitz so tief war. Wir schätzten ihn 1937 auf über 1000 m der Schichtfolge!
Schon im Reppwandprofil ist er wieder normal und dürfte, wenn man annimmt, daß er die Bellerophonschichten durchschnitt etwa 300 m betragen. Die Eingriffstiefe in den Südtiroler Dolomiten dürfte etwas geringer sein, doch ist die Abschätzung schwierig, da das Vorkommen von Gips im mittleren Teil der Bellerophonschichten wohl die Bildung von Geröllen, die auch nur geringe Förderweiten aushielten, verhindert haben dürfte. Die gemeldeten seltenen Marmore müssen wir allerdings bei diesen Betrachtungen ausser acht lassen.
Wenn wir im Raume östlich des Gartnerkofels eine stärkere vulkanische Tätigkeit von Skyth angefangen annehmen dürfen, dann können wir auch mit einer erhöhten Beweglichkeit der Erdrinde rechnen. Die bisher im Gebiet der Karnischen Alpen und der Karawanken nachweisbare vulkanische Tätigkeit im obersten Skyth und untersten Ladin liegt zugleich auch im Gebiet der größten Mächtigkeit des Muschelkalk-Konglomerates der Südalpen.
Wir hoffen mit diesen Zeilen die Anregung zu neuen Untersuchungen gegeben zu haben, die hauptsächlich auf italienischem und Jugoslavschen Boden erfolgen mußten.

Schrifttum in Auswahl:

Ausser den Zusammenfassungen von F. HERITSCH, Die Karnischen Alpen und KLEBELSBERG, Geologie von Tirol, seien genannt:

BUKOWSKI , G. v.: Das Oberkarbon in der Gegend von Castellastua in Süddalmatien und seine triadische Hülle. Verh. G. R.A. 1906 S 337-342, Wien 1906.

GORTANI, M.: Progressi nella conoscenza geologica delle Alpi Carniche.-principali. Atti Soc. Toscana Sc.Nat., Mem.34., 1921.

PIA, J.: Die stratigraphische Verbreitung der Diploporen in der Trias von Bosnien. Bull.Serv.geol.Roy.de Yougosl. 4/1 S.107-133 Belgrad 1935.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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