Fritz A. & F. Kahler / 1973

 

Ein Bergsturz am Nordfuß der Petzen (Nordkette der Karawanken)

Von Adolf FRITZ und Franz KAHLER

I. GEOLOGIE (F. KAHLER)

Der Kohlenbergbau Oberloibach war lange Jahre stillgelegen als er in der Kohlennot nach ,dem zweiten Weltkrieg wieder in , Betrieb kam. Man ging von Osten her mit Gesenken in das alte Abbaugebiet vor, fand etliche Restpfeiler, baute sie ab und hatte bald recht beträchtlichen Druck. Zur Klärung ,des Vorkommens trug diese Abbauperiode fast nichts bei, denn sie kam aus dem alten. Abbaugebiet nicht heraus.

CANAVAL, 1902, hat berichtet, .daß ,im Gabriela-Schacht, ,dessen Pinge heute noch gut kenntlich ist, .die Kohle ,durch zahlreiche Zwischenmittel zerteilt war. Er zitiert SPRUNG, daß der Wetterschacht zunächst Gehängeschutt ("Schotter aus mehr oder weniger eckigen Bruchstücken des dahinter liegenden Kalkgebirges") durchfahren hat, daß dann schon nach einer ziemlich dünnen Lehmlage 1 ,60 m Kohle; in zwei Bänke geteilt, gefunden wurde.

Ungefähr dasselbe sieht man heute am Ostrand ,des Vorkommens, wo ein recht wertvoller Ton abgebaut wird. Hier liegt ein Kohlenflöz, das im für das liegendste halte, unter einer wechselnd starken Lage eines leimt verwitterten Tones und darüber folgt Bergsturzmaterial (bestehend aus dem sogenannten erzführenden Kalk der Mitteltrias, Ladin).

SPRUNG ,berichtet nach CANAVAL, ,daß der Ferdinand-Stollen das Flöz gegen Westen verfolgte, wo es durch Kalksmut t abgeschnitten wurde. Es wird eine Länge von 230 m angegeben. Wir stehen hier wahrscheinlich ebenfalls an der Gleitbahn des Bergsturzes.. Weiter im Norden, bei der Sägemühle der alten 25.000-Karte, zweigt ein Weg gegen Westen zum Brdnik ab. Am nördlichen Waldrand ist hier eine größere Abbaupinge zu sehen. In ihr liegen, meist schräggestellt, mehrere Baumstämme im Ton. Nach dem zweiten Weltkrieg war hier ,der Versuch unternommen worden, mit einem Stollen ,das Kohlenflöz zu erreichen. Vereinzelte Kohlenstücke verleiteten den Bergbauunternehmer zu diesem Vorhaben. Der Vortrieb war schwierig. So lag ein etwa 80 cm starker geschälter Buchenstamm quer zur Vortriebsrichtung. Er mußte mühsam herausgesägt werden. Bald erkannte man, daß man hier das Flöz nicht finden könnte und gab den Versuch auf.

Kurz danach begann man den Ton abzubauen, scheiterte aber wegen der vielen Baumstümpfe, die mit ihren Wurzelstöcken im Ton steckten. Bei einem von diesen fand Dr. G. KAHLER den Rest eines Waldbodens, der gut erhaltene Bucheckern enthielt.

Die Aufschlüsse waren hier eindeutig; wir befinden uns an der Stirnseite eines Bergsturzes, der in einen Hochwald aus Fichten und Buchen einschlug, der aber auch einen Teil der Tertiärablagerung abschürfte und sogar die hangensten Kohlenpartien mitriß. Die Mitteilung von SPRUNG über den Aufschluß im Ferdinand-Stollen wird damit gut verständlich.

Heute liegt ,diese Bergsturzmasse über dem Kohlenvorkommen und schafft dem Bergbau die Wassernot. Denn im Bergsturzmaterial sammelt sich Wasser an. Kommt es beim Abbau ,der Kohle zu Senkungen, dringt ,das Wasser in ,die Hohlräume des Bergbaus ein.

Sollte es noch einmal zu einem Abbauversuch kommen, müßte man zunächst die Bergsturzmasse entwässern.

Meine geologischen Aufnahmen in diesem Gebiet hat WEISS ergänzt, aber noch nicht veröffentlicht. Zweifellos handelt es sich um eine arge Verschuppung von Triaskalken mit kohleführendem Tertiär, wie sie bis zur Vellach nach Westen zu verfolgen ist und wie sie KIESLINGER östlich" der Staatsgrenze beschrieben hat. Diese Wechsellagerung ist teils durch das junge Drängen der Karawanken nach Norden bedingt; teils aber sind auch bedeutende Gleitbewegungen deshalb anzunehmen, weil durch das Höherwerden des Gebirges die Nordhänge immer steiler wurden.

Am Nordfuß ,der Petzen steigt ,das Gelände in Stufen aufwärts. In den untersten Teilen bilden Tertiärkonglomerate nicht selten die Stufen, höher oben sind es die im Tertiär steckenden Kalkschollen, die steile Hänge und Felskanzeln bilden. Das dazwischen liegende tonig-kiesige Tertiär bildet die flacheren Hangteile und liegt meist unter einer seichten Schuttdecke.

Südlich des Kohlenvorkommens von Oberloibach, westlich und östlich von Gradisnig, ragen zwei Felsen in rund 700 m SH aus dem Hang. Dazwischen fehlt diese Stufe, ,der Hang ist hier relativ gleichmäßig steil. Im vermute, ,daß hier ,die Kalkmasse abbrach, nach Norden abfuhr und sich dabei in Blöcke und Schutt zerlegte. Sie zerschlug einen wunderbaren Mischwald, wie es der Schürfrand zeigt.

Wenn diese Annahmen zutreffen, ist die Gleitbahn in der Kartenprojektion etwa 1200 m lang der Abriß ist etwa 400 m breit, der Höhenunterschied ist etwa 180 m. Davon sind etwa 400 m Gleitbahn relativ steil (etwa 37°); die weitere etwa 900 m lange Gleitbahn ist auffallend flach (etwa 5°). Wahrscheinlich hat der Tertiärton, der ja mitgeschürft wurde, das Gleiten sehr erleichtert. Da die Trias-Schuppen im Tertiär meist sehr stark durch Klüfte zerlegt sind, ist es nicht verwunderlich, daß das Bergsturzmaterial recht kleinstückig ist. Es dürfte unter großer Staubentwicklung sehr rasch fließend herabgekommen sein und vor sich her eine Druckwelle in der Luft erzeugt haben, die wohl auch den Wald zu Boden warf.

II. ALTERSBESTIMMUNG (A. FRITZ)

Die Anregung, das Alter des Bergsturzes zu ermitteln, geht auf Univ.-Prof. Hofrat Dr. F. KAHLER zurück. Der Verfasser hat zu diesem Zwecke gemeinsam mit ihm zweimal das Bergsturzgebiet, und zwar am 26. September 1971 und am 28. März 1972, begangen. Bei dieser Gelegenheit wurde das dazu erforderliche Probenmaterial, nämlich eine Probe des unter dem Bergsturzmaterial begrabenen Waldbodens und ein Holzstück eines unmittelbar über dem Waldboden liegenden Baumstammes, aufgesammelt.

Die Datierung gründet sich auf die pollenanalytische Untersuchung des Waldbodens und auf die 14C-Bestimmung des Holzes. Der Humushorizont des verschütteten Waldbodens ist an der Probenentnahmestelle nur wenige Zentimeter mächtig und wird hier etwa 3 m hoch von Bergsturzmaterial überdeckt. Nach den Erfahrungen von KRAL, 1971, sind Humusböden durchaus zu pollenanalytischen Untersuchungen geeignet, was durch die vorliegende Arbeit bestätigt werden kann. Die Aufbereitung der Probe im Laboratorium erfolgte auf die übliche Weise. Der Watdlboden enthält reichlich Pollen und Großreste. Der Erhaltungszustand des Pollens läßt teilweise zu wünschen übrig. Dennoch glaubt der Verfasser ein brauchbares Pollenspektrum erhalten zu haiben, da trotz der Zersetzungserscheinungen die Pollenkörner in den allermeisten Fällen einwandfrei bestimmt werden konnten. Der Prozentsatz der " Variacc mit 3,8 Prozent der Gesamtpollensumme ist erträglich gering. Die Zahl der ausgezählten Pollenkörner beträgt 1000. Das Pollenspektrum setzt sich im einzelnen folgend zusammen:

Baumpollentypen:                                            Prozent

Fagus (Rotbume)                                                 28,6

Picea (Fichte)                                                     16,3

Abies (Tanne)                                                      11,7

Alnus incana-Typ (Grauerle)                                   12,9

Pinus (Kiefer)                                                        6,5

Betula (Birke)                                                       2,6

Quercus (Eiche)                                                    2,4

Ulmus (Ulme)                                                       1,0

Fraxinus excelsior (Gemeine Esche)                          0,4

Carpinus (Hainbudie)                                             1,2

Carya (Hickorynuß)                                               0,1

Baumpollensumme:                                                         83,7  

Sträucherpollen :  

Corylus.(Hasel)                                                  10,2

Humulus-Typ (Gemeiner Hopfen)                             0,1

Sträucherpollensumme:                                       10,3  

                                                                     Prozent

Kräuterpollen:

Poaceae (Echte Gräser)                                        0,3

Cyperaceae (Riedgräser)                                       0,2

Caryophyllaceae (Nelkengewächse )                        0,5

Chenopodiaceae (Gänsefußgewächse)                     0,1

Apiaceae (Doldenblütler)                                        0,1

Dipsacaceae (Kardengewächse)                             0,1

Asteraceae (Korbblütler)                                       0,2

Cichoriaceae (Korbblütler)                                     0,1

Artemisia (Beifuß)                                                0,1

Ranunculus (Hahnenfuß)                                        0,1

Plantago lanceolata (Spitzwegerich)                        0,4

Kräuterpollensumme:                                            2,2

Sporen:

Farnsporen, monolet                                              4,2

Farnsporen, trilet.                                                 0,4

Athyrium (Frauenfarn)                                            0,3

Pteridium (Adlerfarn)                                              0,2

Ophioglossum (Natternzunge)                                  0,3

Der vorliegende Pollenaspekt zeigt ein typisch postglaziales Gepräge-; Selbst bei vorsichtigster Interpretation kann daraus eindeutig entnommen werden, daß der vom Bergsturz vernichtete Wa1d ein Rotbuchen-Tannen-Fichtenwald gewesen ist. Dieser pollenanalytische Befund wird durch ,die Großreste bestens bestätigt. Das Vorkommen von Bucheckern und eines Rotbuchenstammes hat bereits KAHLER (I. Geologie) genannt. Die von mir entnommene Holzprobe, deren Alter radiometrisch bestimmt wurde, stammt von einer Fichte, RÖSSLER, 1973. Im unmittelbaren Bereich des Aufschlusses sind noch 'weitere vier fossile Wurzelstöcke mit einer Dicke bis zu 80 cm vorhanden. Der Humusboden enthält zahlreiche Koniferennadeln und Laubblattreste. Die Koniferennadeln sind soweit noch gut erhalten und konnten als Fichten- und Tannennadeln bestimmt werden; Dagegen sind die Laubblätter stark verrottet. Es ist jedoch kaum daran zu zweifeln, ,daß es sich in erster Linie um Blattreste der Rotbuche handeln wird.

Nach dieser Sachlage hat der Bergsturz vegetationsgeschichtlich irgendwann einmal zur Zeit ,des postglazialen Fichten-Tannen-Rotbuchenwaldes stattgefunden. Mit Hilfe feinstratigraphischer Merkmale läßt sich der Zeitpunkt näher einengen. Das völlige Fehlen von Kulturpflanzenpollen die sehr geringe Kräuterpollenmenge sowie der niedrige Kiefernpollenwert spricht für "älter als mittlere Hallstattzeit". Der niedrige Tannenpollenwert von etwa 12 Prozent bei gleichzeitig stark abgesunkener Fichtenpollenmenge deutet auf das EI1ide der Massenausbreitung der Tanne in Kärnten, d. h. auf das Ende des Subboreals hin. Damit kommt pollenstratigraphisch als möglicher Zeitraum des Bergsturzes am ehesten die erste Hälfte des vorchristlichen Jahrtausends in Frage.

Das absolute Alter ,des datierten Fichtenholzstückes bestätigt die Vermutung. Die Datierung wul1de im 14C-Laboratorium des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung in Hannover-Buchholz ausgeführt. Herrn Dr. A. Mebus GEYH, Leiter des 14C-Laboratoriums, sei an dieser Stelle dafür herzlich gedankt. Das 14C-Alter (Jahre vor 1950) der Probe (Hv 4841) beträgt 2740 ± 40 Jahre (= 790 ±40 Jahre v. Chr.). Der Bergsturz von Oberloibach ist demnach zu Beginn ,des 8. Jahrhunderts v. Chr. niedergegangen.

Klimatisch betrachtet ist diese Zeit durch die Gletscherhochstände ,der Späten Wärmezeit und der Frühen Nachwärmezeit gekennzeichnet, PATZELT, 1972. Ich halte es daher für möglich, daß die Ursamen, die zum Bergsturz geführt haben, zumindest teilweise mit jener Klimaverschlechterung in Zusammenhang stehen, da wohl erhöhte Niederschläge das Abgleiten von Felsmassen erleichtern mußten.

LITERATUR

KRAL, F. (1971): Pollenanalytische Untersuchungen zur Waldgeschichte des Dachsteinmassivs. - Veröff. Inst. f. Waldbau, Hochsch. f. Bodenkultur, Wien.

PATZELT, G. (1972): Die spätglazialen Stadien und postglazialen Schwankungen von Ostalpengletschern. - Ber. Deutsch. Bot. Ges., 85/1-4:47-57.

RÖSSLER, W. (1973): Ein Fichtenholz aus Oberloibach in Kärnten. - Carinthia II, 83:249-252. 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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