Kahler F. / 1956

  Metasomatische oder/und sedimentäre Entstehung ostalpiner Lagerstätten.

(Zur Diskussionstagung in Klagenfurt am 4. 11. 1955)
Von Franz KAHLER, Klagenfurt.

Mit Unterstützung und lebhafter Anteilnahme der Generaldirektion der Bleiberger Bergwerksunion, die sie Herrn Bergdirektor Dr. mont. TSCHERNIG verdankte, konnte die Vereinsleitung eine kleine Anzahl von. Forschern zu einer Aussprache am 4.11.1955 nach Klagenfurt einladen, was freudigen Widerhall gefunden hat.
Die Aussprache war von drei Vorträgen eingeleitet, die in das Problem einführten:
H. J. SCHNEIDER1) sprach vom Standpunkt des Forschers, der für die sedimentäre Bildung der Nordtiroler Blei- Zinkerze eintritt, E. CLAR2) und F. ANGEL3) vertraten den Standpunkt des Metasomatikers, insbesonders bei den Magnesiten.
Die einen Nachmittag dauernde, von Prof. PETRASCHECK jun. geleitete Aussprache brachte, wie erwartet, weder einen "Sieg" einer Partei, noch auch eine wesentliche Annäherung der Auffassungen, wohl aber eine, wertvolle Verdeutlichung der Anschauungen. Die einzelnen Forscher haben ihre Meinung in der Diskussion genauer dargelegt und verteidigt. Diese wich niemals von ihrer ruhigen Bahn ab: zwei gegensätzliche Meinungen führten nicht zu Streit -wir haben dies als einen großen Erfolg betrachtet!
Im Gegensatz zu heute war die Auffassung über die Entstehung einiger Lagerstättentypen durch längere Zeit hindurch anscheinend im wesentlichen unbestritten.
POSEPNY hatte 1873 mit der Typuslokalität Raibl den Begriff der metasomatischen oder "Verdrängungs"lagerstätte aufgestellt: Die Blei- und Zinkerze seien erst nachträglich in den Kalk eingewandert, die Erzlösungen hätten den Kalk gelöst und an seiner Stelle wären die Erze abgelagert worden.
Der Begriff hat eine ausgedehnte Verwendung gefunden. Eine große Anzahl der Bleizinklagerstätten, ja gerade die des sehr bedeutenden Tristate-Bezirks Nordamerikas, um nur diese zu nennen, ließen sich mit Hilfe dieser Vorstellungen in ihrer Entstehung recht gut erklären. Man erkannte ferner, daß eine große Anzahl von Lagerstätten anderer Erze ebenfalls diese Entstehung hätten. Dazu gehören z.B. die meisten Eisen-, Magnesium- und viele der Manganlagerstätten, soweit es sich um Karbonate handelt.

1) Sedimentäre Entstehung nordalpiner Erzlagerstätten.
2) über Unterscheidungsmerkmale hydrothermaler und sedimentärer Lagerstätten.
3) Metasomatische und sedimentäre Karbonatgefüge. Die bekannten Mischreihen der

Die bekannten Mischreihen der Karbonate, denen in den letzten Jahren infolge ihrer großen wirtschaftlichen Bedeutung u.a. von MEIXNER umfangreiche Studien gewidmet wurden, zeigen z.B. am steirischen Erzberg wolkenartiges Eindringen des Eisenspates in die eisenärmere oder eisenarme Umgebung. Der Magnesit als Randglied einer anderen Reihe enthält wenig oder mehr Eisen; eisenreiche Magnesite können sogar mit Erfolg verhüttet werden; sie bilden aber eine Ausnahme (MEIXNER 1953). In ausgezeichneten Studien hat sich ANGEL in letzter Zeit, teilweise gemeinsam mit TROJER der Bildung des Dolomites zugewandt, der vielfach der Begleiter auf Magnesitlagerstätten ist.
Es zeigen sich jedoch auch etliche Schwierigkeiten. HOLLER hat frühzeitig in Bleiberg-Kreuth erkannt, daß bestimmte "edle Flächen" im Wettersteinkalk, gewisse, im scheinbaren Einerlei dieses Gesteines gut gekennzeichnete Lagen für die Bildung der Erzkörper besonders geeignet gewesen sein mußten. Seine Entdeckung förderte die Aufschließung neuer Erzkörper entscheidend. Zugleich nahm er an, daß in Zerrüttungszonen und in Gebieten mit Hohlräumen die Vererzung intensiver wird. Seine neuen Auffassungen hat er 1953 klar dargelegt.
Damit war gegeben, daß die Vererzungslösungen sich nicht die Hohlräume erst durch Lösung schufen, sondern vorher entstandene benutzten, um sie vielfach durch Lösung erweiternd, Erzanreicherungen oft bedeutender Art (Schläuche, Lager usw.) abzusetzen. HOLLER hat auch die Molybdän- und Vanadiumvererzung von Bleiberg-Kreuth als randliche Erscheinung im Vererzungsherd erklärt.
Nun muß aber erwähnt werden, daß es eine Anzahl von Lagerstätten gibt, von denen wir mit einiger Sicherheit wissen, daß sie sedimentär entstanden sind. Dazu gehören etliche Schwefelkieslagerstätten Norwegens, die teilweise armen, aber doch sehr große Mengen Eisen liefernden Doggererze und die bekannten Kupferschiefer in Perm Mitteldeutschlands, die auf einen Gesteinstypus hinweisen, der immer größere wirtschaftliche Bedeutung erlangt: nämlich alle tonreichen Ablagerungen ehemals sauerstoffarmer Becken, die sich durch eine Menge von Elementen, allerdings zumeist geringer Konzentration auszeichnen. Sie sind, z.B. in bestimmten Horizonten Skandinaviens relativ reich an Vanadium und werden für die Versorgung mit Uran vermutlich bald eine große Rolle spielen. Eine andere Lagerstättenform, das Konglomerat von Witwatersrand mit seinem Gold- und Urangehalt zeigt, daß weitere Entstehungsmöglichkeiten für, sedimentäre Lagerstätten bestehen.
Es war zweifellos naheliegend, gewisse relativ seltene Erze der Bleizinklagerstätten unserer Alpen als Konzentrationen geringer Spuren ihrer Metalle in Sedimenten zu erklären. Wir wissen seit langem, daß sich Vanadium im Lebenslauf von Meerestieren aus unwahrscheinlichen Verdünnungen des Metallgehaltes im Meereswasser konzentriert. Man kann sich vorstellen, daß diese Konzentrationen im Sediment aufbewahrt werden. Man kann sich auch denken, daß etwa das Uran ähnlich gespeichert wurde. Haben doch gewisse Algen und Moose, die an Quellen leben, die Möglichkeit, ebenfalls geringste Uranmengen des Quellwassers so anzureichern, daß z.B. SCHEMINZKY der Nachweis von Uran im Gasteiner Thermalwasser zunächst nur biologisch gelang.
Tatsächlich haben SCHROLL und HABERLANDT in unserem Gebiete sowohl die Vanadiumminerale (Vanadinit, Descloizit) von Bleiberg-Kreuth als Konzentrationen aus dem Nebengestein zu erklären versucht und auch die Herkunft des Molybdäns für die wesentlich reicher, ja als bauwürdiges Erzvorkommen den Gelbbleierze aus den Raibler Schichten, den "Lagerschiefer" angenommen,. Besonders SCHROLL hat durch Spurenanalysen seine Ansichten zu untermauern versucht.
Gegen diese Annahme stand bald eine Beobachtung HOLLERs: Er fand in Bleiberg-Kreuth ein Molybdänmineral, das er als Molybdänglanz ansprach. Es ist das Verdienst MEIXNERs, nachgewiesen zu haben, daß die Verhältnisse schwieriger sind. Es liegt ein amorphes Molybdänsulfid gleicher chemischer Zusammensetzung, der Jordisit, vor, der infolge seiner schwarzen Farbe im Lagerschiefer bisher nicht erkannt worden war. Er bildet sich bei Wasserzudrang in den blauen, schon lange bekannten, aber sehr seltenen Ilsemannit um. Unter bisher noch nicht bekannten Umständen wandelt er sich jedoch in Bleiberg-Kreuth außerdem auch in Molybdänglanz um, so daß dieser tatsächlich, wenn auch anscheinend seltener, dort vorkommt, oder vielleicht bisher oft übersehen wurde, da ihm ja die verräterische Umwandlung in Ilsemannit fehlt. Über diese Verhältnisse berichtet MEIXNER getrennt. Daher sei darüber nicht weiter gesprochen.
Wenn man die sedimentäre Bildung der Molybdän- und Vanadiumerze in Betracht zieht, war es naheliegend, auch die Herkunft des Bleis und Zinks zu prüfen. Die Schule MAUCHER, München, hat das Verdienst, die relativ bleizinkarmen, aber ausgedehnten Lagerstätten Nordtirols eingehend untersucht zu haben, wodurch sie gegenüber der erzreichen Bleizinklagerstätte Bleiberg-Kreuth einen Vorsprung erzielten. Hier fehlt seit den erzmikroskopischen Untersuchungen TORNQUISTs die Fortsetzung. Allerdings hat die Lagerstätte Raibl durch die eingehenden Untersuchungen COLBERTALDOs hierin auch einen Vorteil und es ist recht bezeichnend, daß dieser ausgezeichnete Forscher für eine metasomatische Entstehung eintritt, also die Auffassung POSEPNYS verteidigt.
Wenn wir die Darlegungen der Münchner Schule (MAUCHER, SCHNEIDER, TAUPTZ und auch SCHULZ) betrachten, sehen wir die Annahme von schichtigen, sedimentären Bleizinklagerstätten, die infolge ihrer geringen Konzentration unbauwürdig wären, hätten sie sich nicht an etlichen Stellen angereichert. Bei dieser Erklärung wird ein Vulkanismus gefordert, der die Metalle lieferte. Im Süden der Alpen war er um die der Entstehung des Wettersteinkalkes noch sehr lebhaft. Darin würden also wohl keine allzu großen Schwierigkeiten bestehen.
Schwieriger wird die Erklärung der Entstehung beträchtlich, Flußspatmengen, deren Entstehung im Sediment zwar möglich ist, die ihrer Häufigkeit doch recht sehr an die Lagerstätten gebunden zu scheinen. CLAR hat in der Diskussion solche Konzentrationen in gezeichneten Bildern vorgeführt und seine Bedenken in dieser Hinsicht geäußert.
Schwierig scheint auch die Frage, wie es zur Mobilisierung auf weite Flächen verteilten Sulfide gekommen ist, wie diese gewandert sind und wie sie sich in Erzkonzentrationen, z.T. mit metasomatischen Erscheinungen ablagerten. Hier wird wohl noch weitere Arbeit dringend notwendig sein.
SIEGL hat in gut ausgewähltem Beispiel gezeigt, wie sich Erzkörpern von Bleiberg-Kreuth abgesetzte Erze nachweisen lassen. Beobachtungen sind wertvoll, weil sie ein wichtiges Detail in der Bildung der Erzschläuche aufzeigen und zugleich auch die Auffassung HOLLERs bestätigen, daß mindestens teilweise die Hohlräume bereits standen haben, als die Erzlösungen eindrangen. In der sich daran anschließenden Wechselrede zeigte es sich, daß durch die Beobachtcher "Bodenkörper", wie sie durch SIEGL benannt wurden, etwaige Veränderungen der Lage des vererzten Gebirgskörpers nachweisbar se ten.
Für das Problem" sedimentär" oder "metasomatisch" scheint nach meiner Auffassung diese Beobachtung nichts zu bringen, weit außer Streit ist, daß die Erzschläuche, oder richtiger die größeren Erzanhäufungen Nordtirols und etwa Bleiberg-Kreuth's nicht sedimentär also nicht gleichzeitig mit dem Gestein entstanden sind.
Es scheint, daß man die Frage der sedimentären Entstehung Bleizinksulfide besser in den erzarmen Lagerstätten Nordtirols den erzreichen, nach der Sedimentärauffassung nachträglich konnten Lagerstätten Bleiberg-Kreuth, Raibl oder Mieß studieren kann.
Die Ergebnisse SIEGLs in den Bleiberger Erzkörpern zeigen aber auch deutlich, wie notwendig ihre erzmikroskopische Untersuchung ist, die in Raibl durch COLBERTALDO schon weit vorgetrieben wurde.
Auch bei den Karbonaterzen ist die Vorstellung sedimentärer Entstehung schon früher mehrfach geäußert, in letzter Zeit durch LEIT~IER und ~ eingehender befürwortet worden. Dadurch sind zweifellos die an und für sich laufenden Untersuchungen von ANGEL, CLAR, FRIEDRICH, MEIXNER und TROJER belebt worden und wir müssen heute feststellen, daß wir auch hier eine "sedimentäre" und eine "metasomatische" Gruppe von Forschern haben.
Sehr wertvoll schien mir der Hinweis Leitermeiers und Siegls auf die schon seinerzeit von FRIEDRICH-PELTZMANN beschriebene Magnesitlagerstätte Entachenalpe bei Hintertal östlich von Saalfelden zu sein. Hier haben wir das eigenartige Profil im Liegenden der Magnesite, worin Lagen von Magnesit und solche von Lyditen und Graptolithenschiefern wechsellagern. Auch in den Magnesiten gibt es Fossilreste, darunter Orthoceren, deren Schalen heute aus Magnesit bestehen.
Für die Bildung wird der Weg über Nesquehonit (MgCO3•3H2O) gedacht, doch ist dieser rezent anscheinend, wenigstens in größeren Absätzen, noch nicht nachgewiesen worden.
In diesem Magnesit hat TROJER silikatische und sulfidische Spuren von Versteinerungen nachgewiesen, die bei günstigen Verhältnissen eine alte Schichtung im Magnesitkristall zeigen. Die Orthoceren-Schalen sind jedenfalls erst nachträglich in Magnesit umgewandelt worden. Nach der Auffassung der Metasomatiker hat die Lagerstätte, so wie viele andere, eine Polymetasomatose im Sinne von MEIXNER mitgemacht.
Kritisch wird bei dieser Diskussion die Frage, wie weit die Diagenese geht und wie sie abzugrenzen ist. In den Argumentationen ANGELs für die Metasomatose fällt als besonders wichtig die Tatsache auf, daß er in verschiedenen schmalen Kalkplatten der Grauwackenzone eine nur teilweise Dolomitisierung und innerhalb dieser eine Magnesitlagerstätte nachweisen konnte. Es fällt mir außerordentlich schwer, ein solches Bild sedimentär zu deuten. Auch die Aufschlußbilder auf der Inschlagalm westlich von Saalfelden mit ihrem wolkenartigen Eindringen eisenreicherer Magnesite in bläuliche Dolomite, zweifellos dieselbe Erscheinung wie in den vorhin erwähnten schmalen Kalkplatten, aber viel besser verdeutlicht, sprechen nach meiner Auffassung doch viel eher für eine Metasomatose.
Wären gewisse ursprünglich mikroskopische Schichtabbildungen in den Magnesiten der Entachenalpe in ursprünglich abgesetzten und diagenetisch kristallisierten Magnesit vorhanden, dann wäre die Vorstellung von ihrer Erhaltung. zweifellos leichter, als wenn eine gerichtete, wahrscheinlich zweistufige Metasomatose nach einer Diagenese das Gestein traf und es in seinen kalkigen Teilen fast völlig umwandelte.
Die Magnesitwolken der Inschlagalm leiten zu den Eisenerzwolken am steirischen Erzberg über. Die komplizierten Verhältnisse in Hüttenberg wurden bei der Diskussion nicht berührt. Wir dürfen hier aber außer Zweifel die Polymetasomatose MEIXNERs annehmen, die ja hier entdeckt wurde, wobei in diesem Bereich der Eisenvererzung die Bildung von Magnesiumkarbonaten nicht über die Bildung von Dolomiten, Ankeriten und Mg-haltigen Sideriten (Sideroplesit), hinausgeht.
Der neue Anstoß LEITMEIRs und SIEGLs betraf die Magnesitbildung. Ich möchte glauben, daß bei den fließenden Reihen in den Gehalten der in Frage kommenden Karbonaterze die Untersuchung sehr weit bedacht und gespannt werden muß. Tatsächlich hat sich ANGEL neuerlich der Bildung gewöhnlicher Karbonatgesteine (Kalk, Dolomit) zugewandt und hat durch die hervorragend entwickelte Schliff- und Ätztechnik TROJERs und die damit erzielbaren Bestimmungen einen großen Fortschritt erzielt.
Es wird sich zeigen -teilweise zeigte es sich schon, daß allein die Abgrenzung rein diagenetischer Umsetzungen und Kristallbildungen schwierig ist. Dennoch müssen wir in unseren Überlegungen sehr sauber die Bildungen während der Gesteinsverfestigung nach dem Absatz (Diagenese) von den nachfolgenden Vorgängen, die der Metasomatose und Polymetasomatose angehören, trennen. Nur dann reden wir verständlich miteinander. Die Wichtigkeit der (zumeist noch fehlenden) Petrographie unserer alpinen Absatzgesteine ergibt sich dann von selbst. Der Schwerpunkt der Klärung verschiebt sich damit zu der Gesteinskunde der Absatzgesteine. Von hier aus werden wir dann beurteilen können, ob überhaupt solche fazielle Verhältnisse bestanden haben könnten, in denen Nesquehonit zum Absatz kam und von hier aus werden wir vermutlich der Petrographie der epizonalen Gesteine die in der Grauwackenzone trotz der energischen Bemühungen TRAUTHs doch noch wenig befriedigt, neue Anregungen verschaffen.
Ringsum tut sich neue Arbeit auf: Freuen wir uns darüber, daß wir nicht in Vorstellungen erstarren müssen! 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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