Walter F. & J. Mörtl / 2006

 

Die Paragenese von Andalusit, Sillimanit und Kyanit vom Schneestellkopf, Kreuzeckgruppe, Kärnten
 

Von Franz Walter und Josef Mörtl

Zusammenfassung:
Ein gemeinsames Vorkommen der drei polymorphen Aluminiumsilikate Andalusit, Sillimanit und Kyanit in einem Handstück aus dem Gebiet des Schneestellkopfes in der Kreuzeckgruppe, Kärnten, wurde mineralparagenetisch untersucht. So konnte aus den mikroskopischen Dünnschliffuntersuchungen die Kristallisationsabfolge der drei in einem Quarzgang auftretenden Al2SiO5-Modifikationen bestimmt werden: Idiomorphe Andalusitkristalle werden durch dünnnadeligen Sillimanit teilweise verdrängt und anschließend von Kyanit überwachsen. Die Bildung von Andalusit und Sillimanit wird über die Altersdatierung mit der Dehnung der Erdkruste im Bereich des ostalpinen Kristallins während der Zeitspanne Perm/Trias in Verbindung gebracht, die damit eine Hochtemperatur und Niedrigdruck-Metamorphose auslöste. Muskowit lieferte Ar-Ar Abkühlungsalter von 200 Millionen Jahren. Kyanit ist bei einer Druckerhöhung beim Abklingen dieser Metamorphose oder erst beim altalpidischen Ereignis entstanden. Die drei Al2SiO5Modifikationen sind somit nicht gemeinsam bei der invarianten PT-Bedingung des Al2SiO5-Phasendiagrammes entstanden.
Abstract:
The paragenesis of the polymorphous alumosilicates andalusite, sillimanite and kyanite in asample from Schneestellkopf, Kreuzeck Mauntains, Carinthia, is reported. Fromthin section microscopy the path af crystalfization of the quartz hosted Al2SiO5-polymorphs was determrned: Idiomorphic crystals of andalusiteare partly replaced by needles of sillimanite and both were overgrown by kyanite. In the well preserved PermoTriassic high temperature and low pressure metamarphism; caused by lithospheric extension afterthe late Variscian aragenesis, andalusite and sillimanite are formed. Ar-Ar muscovite coaling ages of the andalusite crystallization are in the range of 200 Ma. The crystallization of Kyanite caused by inc.reasing pre$sure was formed at the end of the PermoTriassic event or later in the Ea-Alpine metamorphichistory. Andalusite, sillimanite andkyanitefrorri Schneestellkopf did not crystallize together at the pt-condition ofthe invariant point in their stabilitydiagram.

EINLEITUNG:
Im Rahmen eines vom Naturwissenschaftlichen Verein für Kärnten geförderten Forschungsprojektes wurden die Vorkommen der drei polymorphen Aluminiumsilikate (Formel jeweils Al2SiO5) Andalusit, Sillimanit und Kyanit bezüglich ihrer Mineraltopographie für Kärnten zusammengefasst (MÖRTL 2006). Disthen ist der alte nun nicht mehr internationalgültige Name für Kyanit.
Einige Vorkommen wurden wegen ihrer besonderen Paragenese auch näher untersucht. So konnte für den Andalusit vom Kienberg/Saualpe eine hydrothermale, den alpinotypen Kluftmineralisationen vergleichbare Genese, nachgewiesen werden (GLEHR 2005). Aus der Koralpe und der Kreuzeckgruppe in Kärnten stammen besonders große Individuen von Andalusit: einzelne Kristalle erreichen bis zu 40 cm Länge und Querschnitte bis 10 cm. Diese Andalusitkristalle treten idiomorph in Pegmatit- und Quarzgängen auf und sind durch eine spätere druckbetonte Metamorphose teilweise bzw. im Koralpengebiet vollständig in Kyanit umgewandelt worden (Kyanitparamorphosen nach Andalusit). Noch weiter verbreitet als die Vorkommen von Andalusit sind jene von Kyanit, der nahezu in allen Kristallingebieten anzutreffen ist. Die von den Sammlern besonders geschätzten hell- bis dunkelblau (cyanblau = Cyanit, Kyanit) gefärbten langstängeligen Kristalle stammen vorwiegend aus dem Kristallin bei Radenthein und aus dem Eklogit der Saualpe. Sillimanit, meist feinstfaserig bis dünnstängelig ausgebildet, tritt dagegen selten auf und ist bisher nur von 5 Fundorten in Kärnten nachgewiesen worden (siehe MÖRTL 2006). Nur von wenigen Fundorten der Erde konnte ein gemeinsames Auftreten der drei polymorphen Aluminiumsilikate beobachtet werden. Über ein Vorkommen von Andalusit, Sillimanit und Kyanit in einem Handstück aus dem Gebiet des Schneestellkopfes in der Kreuzeckgruppe, Kärnten, berichten erstmals WALTER & ETTINGER (2001).

Fundort und Probenbeschreibung:
Seit der Erstbeschreibung über das Vorkommen von Andalusit und Paramorphosen von Kyanit nach Andalusit aus der Kreuzeckgruppe (MEIXNER 1971) sind im Gebiet zwischen Schneestellkopf und Eisenriegel im Talschluss der Teuchl einige Fundstellen für Andalusitkristalle bekannt geworden. Eine weite Verbreitung von Andalusit in der Kreuzeckgruppe wurde im Rahmen von geologischen Kartierungsarbeiten vom Wöllatal im Westen über Strieden -obere Raggaalm -Schneestellkopf bis ins Teuchltal im Osten über rund 9 km festgestellt (Kartierung: J. Mörtl). Die Andalusit-Quarzgänge treten in Metapeliten diskordant und teilweise stark baudiniert auf, einige Gänge sind bis zu 2 m mächtig.
Der darin zum großen Teil idiomorph kristallisierte Andalusit ist dabei häufig von einem grobschuppig ausgebildeten Muskowit umhüllt (Abb. 1).
Im Rahmen einer Exkursion der Fachgruppe Mineralogie und Geologie des Naturwissenschaftlichen Vereins für Kärnten wurden im Blockfeld südlich des Schneestellkopfes in 2360 m SH (Abb. 2) Andalusit führende Quarzgänge beprobt, die bereits makroskopisch erkennbar weiße Nadeln im fleischroten Andalusit führen. Die zahlreichen nur wenige Millimeter bis einige Zentimeter großen Andalusitkristalle sind meist idiomorph entwickelt oder zu Haufen bzw. cm dicken Lagen im Quarz eingewachsen. Mengenmäßig ist im Quarzgang Andalusit bis zu 50 Vol.-% enthalten.
Von den Proben wurden polierte Dünnschliffe angefertigt, die mittels Durchlichtmikroskopie mit linear polarisiertem Licht und Rasterelektronenmikroskopie (REM) mit energiedispersiver Röntgenanalyse untersucht wurden.
Die bereits makroskopisch sichtbaren Nadeln sind, röntgenographisch nachgewiesen, Kyanit. Dieser tritt nur in Andalusit auf und ist an der Korngrenze zu Quarz scharf abgeschnitten. Der Kyanit ist idiomorph ausgebildet und erstreckt sich oft über mehrere Andalusiteinkristalle (Abb. 3). Auffallend ist ein Saum aus Schichtsilikaten (Paragonit-Muskowit Mischkristalle mit 80-20 Mol.-% Paragonit), die stets den Kyanit umhüllen (Abb. 4). Dieses Gefüge lässt den Schluss zu, dass Kyanit nach Andalusit in diesem kristallisierte, wobei das geringere Mol-Volumen des Kyanits (rund 14 % geringer als für Andalusit) Platz für die Glimmerminerale schuf.
Akzessorisch sind im Andalusit Fluorapatit, Monazit und Relikte von Chloritoid vorhanden (Abb. 5). Feldspäte konnten weder als Einschluss im Andalusit noch in der Mineralparagenese des Quarzganges gefunden werden.
Sillimanit tritt als Fibrolith im Andalusit meist in unmittelbarer Nähe zu Quarz auf und ist auch im Quarz in Rissen und cm-breiten Nestern anzutreffen (Abb. 6). Die Bestimmung erfolgte röntgenographisch, nur in den Anreicherungen im Quarz konnte Sillimanit mineraloptisch eindeutig identifiziert werden. Sillimanit kommt im Andalusit ohne breite Glimmersäume vor, die in diesen Proben typisch für die Kyaniteinschlüsse im Andalusit sind. Eine Erklärung dafür ist die Differenz (rd. 3 %) der Mol-Volumina von Andalusit und Sillimanit. Kristallisiert Sillimanit nach Andalusit, ist damit nur eine sehr geringe Volumensänderung verbunden und der entsprechende Umhüllungshohlraum um Sillimanit auch sehr gering (Abb. 7).
Die Mineralabfolge der drei polymorphen Aluminiumsilikate ist in der Abb. 8 ersichtlich: Im Andalusit sind zahlreiche dünnnadelige Sillimanitkristalle eingeschlossen. Der grobstängelig ausgebildete Kyanit dagegen ist frei von Einschlüssen. Im Bildausschnitt werden zwei unterschiedlich orientierte Andalusitkristalle von einem Kyaniteinkristall durchtrennt. Im Kontaktbereich zwischen Andalusit und Kyanit ist, wie oben beschrieben, ein Glimmermineral gewachsen, welches den bei der Umwandlung von Andalusit zu Kyanit entstandenen Zwischenraum füllt. Daher kann als Kristallisationsabfolge Andalusit vor Sillimanit und als letzte Mineralisation Kyanit ( + Glimmer) angenommen werden. Die Sillimanitbildung wäre somit zeitlich vor dem Kyanitwachstum abgeschlossen.
In einer Probe konnte die Berührungsparagenese von Chloritoid und idiomorph ausgebildetem Sillimanit bestimmt werden (Abb. 9). Der eisenreiche Chemismus dieses Chloritoids (XFe = 0.76) ermöglicht eine Phasenstabilität mit Sillimanit.
Entlang von Rissen im Andalusit und Korngrenzen zu Quarz treten symplektitische Verwachsungen aus Kyanit + Quarz auf, wobei, wie in Abb. 10 ersichtlich ist, Andalusit aufgelöst wird. Quarz ist dabei in unmittelbarer Nähe immer im Überschuss vorhanden.
Feldspäte kommen in der Paragenese der Andalusit Quarzgänge nicht vor, sodass Natrium und Kalium als Bestandteile der fluiden Phase zugeführt wurden. Paragonitreiche, teils grobkristalline Glimmer wurden während oder kurz nach der Kristallisation von Kyanit gebildet. Als letzte Mineralbildung treten feinstkristalliner Muskowit (ohne Paragonitanteil) und Diaspor als Alterationsprodukte der Aluminiumsilikate auf. Diese tiefthermale Mineralneubildung entstand bevorzugt an Rissen und Korngrenzen der Andalusitkristalle. Diaspor ist vorwiegend zwickelfüllend, selten auch in Aggregaten idiomorpher Einkristalle, anzutreffen (Abb. 11).
Einen weiteren Hinweis, dass Kyanit nach Andalusit gebildet wurde, geben dmgroße idiomorphe Andalusitkristalle mit beginnender Paramorphosenbildung von Kyanit nach Andalusit (Abb. 12). Hier verdrängt Kyanit den Andalusit in Form von zahlreichen, wirrstrahlig verwachsenen, den Eisblumen ähnlichen Kristallaggregaten.
Diskussion:
Die polymorphe Aluminiumsilikate Andalusit, Sillimanit und Kyanit eignen sich, um die Bildungsbedingungen bezüglich Druck (P) und Temperatur (T) der sie umgebenden Gesteine abzuschätzen. Aus dem PT-Phasendiagramm (Abb. 13) ist ersichtlich, dass alle drei Aluminiumsilikate bei einer gemeinsamen PT-Bedingung stabil sind (invarianter Punkt). Als einzelne Mineralarten sind Andalusit bei niedrigem Druck, Sillimanit bei hoher Temperatur und Kyanit bei hohem Druck stabil.
Geologische Untersuchungen in der Kreuzeckgruppe haben ergeben, dass hier Gesteine vorliegen, die im Zeitraum Penn/Trias eine Metamorphose unter sehr hohen Temperaturen (bis 700 ° C) verbunden mit niedrigen Drucken (um 3 Kilobar) erfahren haben. Dieses Geschehen wird auf die am Ende der Variszischen Gebirgsbildung folgende extreme Erdkrustendehnung in diesem Bereich zurückgeführt (SCHUSTER et al. 2004). So ist hier durch besonders günstige geologische Umstände ein Gesteinsprofil zunehmender Metamorphose aus dem Gebiet des Goldeckes bei Spittal an der Drau in die zentrale Kreuzeckgruppe hinein erhalten geblieben, das nicht durch die spätere alpidische Gebirgsbildung überprägt worden ist.
Die Genese von großen idiomorph ausgebildeten Andalusitkristallen und deren Kristallwachstum in Pegmatit- und Quarzgängen diskutieren CLARKE et al. (2005).
Der hier beschriebene Andalusit vom Schneestellkopf tritt in der Paragenese mit Quarz, Sillimanit, Kyanit, Muskowit, Paragonit und Chloritoid auf, Feldspäte fehlen. Nur akzessorischer Fluorapatit und Monazit als Einschlüsse im Andalusit sind Hinweise auf eine pegmatitische Herkunft.
Aus den Dünnschliffabbildungen (z. B. Abb. 8) ist ersichtlich, dass nicht alle drei polymorphen Aluminiumsilikate gemeinsam und daher nicht gleichzeitig gebildet wurden. Es liegt damit auch kein Kristallwachstum bei den PT-Bedingungen des invarianten Punktes vor.
Die Kristallisationsreihenfolge kann folgend beschrieben werden:
Als erste Mineralisation wächst Andalusit in großen idiomorphen Kristallen und schließt dabei Apatit, Monazit und Chloritoid ein. Quarz und Muskowit kommen nun hinzu und umhüllen die Andalusitkristalle. Der grobblättrige Muskowit, der stets den Andalusit umhüllt, lieferte Ar-Ar Abkühlungsalter von 200 Millionen Jahre. Er kristallisierte somit im Zeitraum Perm/Trias und wurde später nicht von der alpidischen Metamorphose beeinflusst.
Bei weiter zunehmender Temperatur der prograden Metamorphose wird statt Andalusit Sillimanit stabil und beginnt in Form feinster Nädelchen im Andalusit und auch in Rissen des Gangquarzes zu kristallisieren. Einige Sillimanitkristalle sind im Andalusit kristallographisch orientiert gewachsen, wie dies auch bei der Transformation von Sillimanit nach Andalusit im Vorkommen der vulkanisch gebildeten Aluminiumsilikate von Mazarron in Spanien nachgewiesen wurde (CESARE et al. 2002). Der Großteil der Sillimanitneubildung im Andalusit vom Schneestellkopf ist bezüglich ihrer Kristallorientierung aber zufällig (vgl. Abb. 8).
Als nächstes Aluminiumsilikat wird nun Kyanit gebildet. Kyanit kristallisiert hier idiomorph, vollkommen einschlussfrei und tritt nur im Andalusit auf. Er durchtrennt sowohl Andalusit als auch Sillimanit und ist daher die zuletzt gebildete Al2SiO5-Modifikation. Ob Kyanit am Ende der Metamorphose Perm/Trias oder erst zum altalpidischen Ereignis (vor rd. 90 Mill. Jahren) kristallisierte, kann nicht I beantwortet werden, da noch keine Abkühlungsalter der Glimmer, die den Kyanit umhüllen (Abb. 4), vorliegen. Zur Kyanitbildung ist jedoch ein höherer Druck als für Andalusit nötig, verbunden mit einer Temperaturabnahme beim Abklingen der vorherigen temperaturbetonten Metamorphose.
Als letzte Mineralneubildung sind die Alterationsprodukte der Aluminiumsilikate zu Diaspor, AlO(OH), und die Kristallisation von feinschuppigem Muskowit zu nennen. Diese tiefthermale Paragenese kann als letzte wahrscheinlich alpidisch verursachte Mineralbildung interpretiert werden.

LITERATUR:

CESARE, B., M. T. GOMEZ-PUGNAIRE, A. SANCHEZ-NAVAS & B. GROBETY (2002): Andalusite-sillimanite replacement (Mazarron, SE Spain): A microstructural and TEM study. - Amer. Mineralog., 87: 433-444, Kansas.
CLARKE, D. B., M. DORAIS, B. BARBARIN, D. BARKER, B. CESARE, G. CLARKE, M. BAGHOAOI, S. EROMANN, H.-J. FÖRSTER, M. GAETA, B. GOTTESMANN, R. A. JAMIESON, D. J. KONTAK, F. KOLLER, C. L. GOMES, D. LONOON, G. B. MORGAN, L. J. P. F. NEVES, D. R. M. PATTISON, A. J. S. C. PEREIRA, M. PICHAVANT, C. W. RAPEtA, A. D. RENNO, S. RICHAROS, M. ROBERTS, A. ROTTURA, J. SAAVEORA, A. N. SIAL. A. J. TOSELLI, J. M. UGIDOS, P. UHER, C. VILLASECA, D. VISONA, D. L. WHITNEY, B. WILLIAMSON & H. H. WOODARD (2005): Occurrence and origin of andalusite in peraluminous felsic igneous rocks. -Journal of Petrology, 46: 441-472, Oxford.
GLEHR, M. (2005): Die Paragenese des Andalusites vom Kienberg, Saualpe. - Diplomarbeit an der Naturwiss. Fakultät der Karl Franzens-Universität Graz, 71 S., Graz.
MEIXNER, H. (1971): Ein Vorkommen von Andalusit-Kristallen und von Paramorphosen von Disthen nach solchen sowie Cordierit und Apatit aus der Kreuzeckgruppe, Kärnten. -Carinthia II, Sh. 28: 239-243, Klagenfurt.
MÖRTL. J. (2006): Die Verbreitung der Aluminiumsilikate Andalusit, j Sillimanit und Kyanit (Disthen) im ostalpinen Kristallin Kärntens. - Carinthia II,196./116., im Druck, Klagenfurt. I
SCHUSTER, R., F. KOLLER, V. HOECK, G. HOINKES & R. BOUSQUET (2004): Explanatory I notes to th
e map: metamorphic structure of the Alps, metamorphic evolution of the Eastern Alps. - Mitt. Österr. Miner. Ges., 149: 175 199, Wien.
WALTER, F. & K. ETTINGER (2001): Andalusit, Sillimanit und Kyanit vom I Schneestellkopf, Kreuzeckgruppe, Kärnten. - Mitt. Österr. Miner. Ges., 146: 308-310, Wien.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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