Clar E. / 1953

  Metamorphes Paläozoikum im Raume Hüttenberg. 1)

Von E. CLAR
(Lagerstättenuntersuchung der Ö.A.M.G. Knappenberg).

In gemeinsamer Bearbeitung der Gesteinsfolgen im Gebiete von Hüttenberg mit H. MEIXNER wurden in letzter Zeit einige Beobachtungen gemacht, die Folgerungen weit über den bearbeiteten Raum hinaus nach sich ziehen. Die Richtung der Untersuchungen wurde wesentlich angeregt durch die klare Formulierung der Probleme des Mittelkärntner Raumes, die F. KAHLER in seinem "Bau der Karawanken" (1953) gefunden hat und durch, manche Aussprache und Begehung mit ihm. Die Einsicht in die Tragweite und Einordnung der Einzelbeobachtungen an den Gesteinen förderte bei gemeinsamer Durchsicht und Aussprache unser verehrter Lehrer und Freund F. ANGEL.
Im Gebiet der geologischen Spezialkarte Blatt Hüttenberg-Eberstein (H. BECK 1935) ist das mesozonale (zweitstufige), durch die "Gleinalmkristallisation" geprägte "Altristallin" gegen Süden und Westen überlagert von einer ausgedehnten Folge von Phylliten, Kalkphylliten und Grünschiefern, die sich weiter ins Klagenfurter Becken und in die Gurktaler Schieferberge fortsetzt. Sie wird bei Althofen von fossilführendem Altpaläozoikum überlagert und beide im Krappfeld diskordant von Grödner Sandstein, Trias, Kreide und Eozän übergriffen. Der wesentliche Bestand dieser vorgenannten Folge, nämlich Tonschiefer, bzw. Phyllite mit mächtigen Diabasen, Diabastuffiten und Grünschiefern in ihrem Hangend, ist die Magdalensbergserie von F. KAHLER, die im Süden nach Fossilfunden von H. SEELMEIER (1938) am Christofberg bei Pischeldorf oberes Untersilur (Caradoc) enthält.
Den Grenzbereich von dem im Hangenden marmorreichen "Altkristallin" zu dieser Phyllit -Grünschiefer -Serie beschreibt A. PILGER (1942) aus der Gegend von Friesach als einen allmählichen Übergang; mit der Hervorhebung einer allmählichen Vertretung von Amphiboliten nach oben durch einen "echten Metadiabas", andererseits aber gleichzeitig auch einer (diaphthoritischen) Chloritisierung von Hornblenden bleibt die wichtige Frage offen, ob dieser Übergang durch eine einzige, nach unten progressive Metamorphose oder durch eine Angleichung vorher mineralfaziell verschiedener Bestände unter Verschuppung und Diaphthorese zustande kommt
Leider ohne dies in Erläuterungen oder einer zusammenfassenden Darstellung näher auszuführen hat vorher H. BECK in der geologischen Spezialkarte 1: 75.000 in diesem Grenzbereich meist

1) Auszug aus einen Vortrag auf der Frühlingstagung der min. geol. Fachgruppe des Naturw. Vereines f. Kärnten am 9. Mai 1953 in Klagenfurt"

breite diaphthoritische Zonen der Glimmerschiefer und Amphibolite ausgeschieden. Damit ist wohl, ganz im Sinne der fast allgemeinen Auffassung, eine Deutung entsprechend der zweiten der obigen Möglichkeiten ausgesprochen.
Die neuen Beobachtungen beinhalten im wesentlichen das Folgende. Im Raume von Hüttenberg werden die hochkristallinen, der Gleinalpenhülle entsprechenden Glimmerschiefer im Bereich der hangendsten Marmorlagen (z.B. Waitschach) recht schnell von Schiefern phyllitischer Tracht abgelöst, die im Felde als phyllitische Glimmerschiefer bezeichnet wurden. In ihrer Mineralgesellschaft sind diese Gesteine jedoch zunächst noch dem Hochkristallin gleich, nämlich u.a. teilweise granatführende Zweiglimmerschiefer der Mesozone. Erst diese gehen dann allmählich in echte Serizit- und Chloritphyllite der Epizone über. Der Umschwung in der Kristallinität deckt sich nicht mit der Grenze zwischen meso- und epizonalen Mineralfazien.
Wesentlich deutlicher wird dieser Sachverhalt in den mächtigen verschiedenartigen Grünschiefern, die sich bald hangend in dieser Phyllitserie einstellen und deren Zuordnung zur Magdalensbergserie von F. KAHLER sichern. Es sind Diabase und Diabastuffe, bzw. -tuffite in der Ausbildung, die IPPEN 1895 aus der Gegend von Nemarkt als "Norizit“ beschrieben hat (siehe F. ANGEL 1932 ). Heute ermöglicht die verfeinerte Mineral-Faziesreihe, die F. ANGEL (1940 ) besonders für unsere ostalpinen Verhältnisse abgeleitet hat, eine genauere Übersicht über die Abwandlung dieser Gesteinsgruppe in unserem Abschnitte.
Unter Weglassung aller näheren Kennzeichen lautet diese Mineralfaziesreihe in einfachster Form:
I. Streßzonenstufe / I Kalkphyllit - Fazies
                          / II Grünschiefer - Fazies
                          / III Grünstein - Fazies
                          / IV Epidotamphibolit –Fazies
                                      /1 Prasinit - Unterfazies
                                     / 2 Granat – EpidotamphibolitUnterfazies
 II. Streßzonenstufe / I Chloritoid-Almandinschiefer - Fazies
                           / II Staurolith-Almandinschiefer - Fazies
Im Raume Hüttenberg vertritt das höhere „Altkristallin“ wie in der Gleinalm die II. Streßzonenstufe dieser Mineralfaziesreihe, reicht aber wie dort noch in die Fazies IV/2 der I. Streßzonenstufe hinauf. Die Grünschiefer und feinschuppigen Glimmerschiefer der Magdalensbergserie liefern vorwiegend Beispiele der Entwicklung in der Grünschiefer und Grünsteinfazies, sowie nicht minder reichlich in der Prasinit –Unterfazies. Insbesondere die charakteristischen zonaren Hornblenden der Norizite lassen die Entwicklungsreihe jedoch auch noch weiter in relativ hochkristalline Ausbildungen hinein verfolgen. Neben granatführendem feinschuppigen Glimmerschiefer und Biotitphyllit bildet granatführender, norizitischer Biotit-Prasinit und Plagioklasamphibolit neben den Epidotamphiboliten eine sichere Vertretung der Granat-Epidotamphibolit-Unterfazies in dieser Entwicklungsreihe. Dann verliert sich mit dem allmählichen Verschwinden der norizitischen Hornblendekerne und mit zunehmender Kristallinität die Möglichkeit, etwas darüber auszusagen, ob der betreffende Plagioklas- oder Granatamphibolit, bzw. Granatglimmerschiefer von Diabasgesteinen, bzw. Tonschiefern der Magdalensbergserie abstammt oder nicht. Eine bisher einzige Ausnahme macht jedoch ein staurolithreicher Granatphyllit nächst Hüttenberg, der noch in der Phyllitfolge liegt und durch seine Tracht von den Gesteinen gleicher Zusammensetzung im "Hochkristallin" gut unterscheidbar ist. Er erweist, daß diese Phyllit (-Grünschiefer-)-Folge hier eine Umprägung bis mitten in die II. Streßzonenstufe erreicht.
Rückschreitende Umprägung (Diaphthorese) aus tieferer in höhere Mineralfazies ist in den bisherigen Proben nur vereinzelt angedeutet, ohne durchzugreifen und kann daher nicht das Wesen des geschilderten Uberganges bestimmen. Sie ist sinngemäss nur auf sehr örtliche, jüngere Bewegungen beziehbar.
Wir finden also, daß sich hier die Mineralfazies-Entwicklungen des Altkristallin und der Magdalensbergserie, beide in vorschreitender Umwandlung stufenmässig weit übergreifen und räumlich ineinander überfließen. Das könnte allenfalls auch eine Konvergenz sein. Wir finden aber ferner, daß in beiden Serien eine prae (bis para-) kristalline Faltung von der metamorphen Kristallisation abgebildet wird und daß diese Faltung nicht nur in benachbarten Bereichen beider Serien von Achsen gleicher Richtung bestimmt wird, sondern daß sie auch die beiden Serien miteinander verfaltet. Eine gemeinsame Durchbewegung beider Serien wird also von einer Kristallisation überdauert, die mineralfaziell Schritt für Schritt von der II. durch die ganze I. Streßzonenstufe bis zu nur mehr sehr wenig Umgewandelten, noch vereinzelt fossilführenden Gesteinen abwandelt.
Diese Kristallisation ist die - "Gleinalmkristallsation" des "Altkristallin" und der weitere Bereich von Hüttenberg gestattet daher, erstmalig in den Alpen, in einem zusammenhängenden, einige km mächtigen Schichtstoße das schrittweise Ausklingen dieser Gleinalmkristallisation bis in den fossilführenden Bereich hinaus zu verfolgen. Da von dieser Kristallisation hier eine Serie mitbetroffen wird, die höheres Orivicium (Untersilur) enthält, ergibt sich daraus zwingend die Folgerung, daß diese "Gleinalmkristallisationtt nicht vorpaläozoisch, sondern nachordovicisch ist. Durch die Transgression des nicht metamorphen Grödner Sadsteines ist sie ferner als vorpermisch erwiesen. Sie ist somit einer paläozoischen Gebirgsbildungsära einzugliedern.
Derzeit nur mit Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß von dieser Metamorphose auch Devon betroffen wird und sie daher der variscischen Ära zugehört. Die rückschreitende, diaphthoritische Umwandlung der Erzeugnisse dieser Metamorphose rückt dann vermutlich zur Gänze in die jungmesozoisch-tertiäre alpidische Gebirgsbildung auf.
Ein variscisches Alter von „Altkristallin" in Gleinalmentwicklung ist schon mehrfach angenommen und begründet worden. In der nordöstlichen Grauwackenzone hat H. MOHR dies schon 1923 angenommen, wurde jedoch von H.P. CORNELIUS (1941) widerlegt. Für die Gleinalpe selbst stellte F. ANGEL (1938) fest, daß keine Gegenbeweise gegen die Annahme karbonischen Alters der Gleinalmkristallisation vorliegen. Au weitesten vorgestoßen ist jedoch in jüngster Zeit K. METZ (1952), indem er hervorhebt, daß in der Bautsteinserie Anteile, die faziell dem ostalpinen Gotlandium (Obersilur) entsprechen, gefaltet und von einer Kristallisation überholt sind, die örtlich zu alpiner Anlphibolitfazies = Gleinalm führt.
Aus den hier berichteten Beobachtungen heraus soll das paläozoische, wahrscheinlich variscische Alter der Metamorphose des mesozonalen Altkristallin zunächst nur für das bearbeitete Gebiet behauptet werden. Sehen wir jedoch hierin ein Stück aus dem metamorphen Stamm ("Metamorphiden") des ehemaligen variscischen Gebirges, so ist eine enge örtliche Begrenzung der Folgerungen nur schwer möglich und die gleiche Frage wird überall im riesigen Raum des oberostalpinen "Altkristallin" spruchreif.
Im Bereiche um Hüttenberg wird zunächst nach Alter der Marmorzüge im Altkristallin zu fragen sein. Sie stecken in verschiedener Höhenlage in Bezug auf die mineralfazielle Abfolge in diesem. Der höchste Marmorzug der Hüttenberger Gruppe (Waitschach) entspricht in dieser Hinsicht weitgehend den Marmoren auf den Höhen südlich von Friesach, beide werden unmittelbar von den metamorphen Phylliten und Grünschiefern der Magdalensbergserie überlagert. In grundsätzlich gleicher Stellung im mineralfaziellen und Serien-Profil erscheinen aber nördlich dieser Friesacher Marmore als ihr Gegenflügel über einer Aufwölbung des Metnitztales die kristallinen Kalke der Grebenze, die als Glied des Murauer Paläozoikums gelten und von der norizitischen Metadiabasserie der Frauenalpe überlagert werden. E. HABERFELNER (1937) hat demgemäß auf seiner Übersichtskarte diesen Anteil der Friesacher Marmore einschliesslich seiner Schieferbegleitung bereits gleich der Grebenze als Altpaläozoikum ausgeschieden.
Wenn nun auch die Metamorphose des Mesozonalen "Altkristallin" unter diesen Marmoren junger ist als Devon, dann ist es naheliegend, auch die etwas tiefer gelegenen und schon in diesem Altkristallin" eingeschalteten Züge des Hüttenberger Marmor-Schwarmes (Semlach, Erzberg) als lediglich noch etwas tiefer gelegene Schuppen gleichaltriger, also paläozoischer Kalke zu betrachten. Doch kann dies hier nicht bewiesen werden. Ebenso fehlen für eine allfällige Trennung paläozoischer und älterer Elemente im mesozonalen "Altkristallin" unterscheidende Merkmale.
Östlich von Hüttenberg liegt nach der geologischen Spezialkarte von H. BECK die vermutliche Fortsetzung der gleichen Marmorzüge in den eklogitführenden Gneisen der Koralmserie. Die oben mitgeteilten Befunde rollen zusammen mit den Ergebnissen von P. BECK-MANNAGETTA (1949, 1951) im Koralmgebiet selbst die Frage neu auf, in welcher Beziehung deren hochkatazonale Metamorphose nun im tektonischen Ablaufe zur Gleinalmkristallisation steht. Nächst Hüttenberg, in den Hängen gegen Lölling und Heft überdauern beide eine, durch gleiche Achsenlage einheitlich erscheinende Prägung von Lineargefüge und Faltung, petrotektonisch besteht daher hier kein Grund für eine zeitliche Trennung. Die petrotektonische Analyse größerer Bereiche wird da weiterführen können.
Jedenfalls wird es noch viel geologischer und petrographischer Arbeit bedürfen, bis die Folgerungen aus den hier mitgeteilten Beobachtungen auch weiträumig überprüft und abgeklärt sein werden.
Nachtrag:
Ein freundlicher Hinweis von Kollegen MEIXNER ermöglicht folgende Ergänzung: Gleichzeitig mit den oben angeführten Studien von A. PILGER bei Friesach hat F. SOLYOM in der Umgebung von Althofen in seiner nicht veröffentlichten und dem Verfasser noch nicht zugänglichen Dissertation (Berlin 1942) bereits weitgehend die hier mitgeteilten Schlüsse gezogen. Nach P. BECK-MANNAGETTA (1951; S. 153) fand SOLYOM, daß in diesem Gebiet entgegen der geolog. Spezialkarte von H. BECK (1935) keine Diaphthorite des Altkristallin vorkommen und daß das Althofner Paläozoikum tektonisch einheitlich mit seiner phyllitischen und kristallinen Unterlage geformt sei. Er nimmt für die Tektonik und Metamorphose vom Kristallin der Bretsteinserie bis ins Unterkarbon einen einheitlichen variscischen Bauplan an. Knapp vorher verweist P. BECK-MANNAGETTA auf die weite Verbreitung der zugehörigen vorkristallinen B-Achsen im Raume Waldenstein-Pack, Zirbitzkogel usw., also in Mustergebieten der "Koralmserie". Der Schluß, daß auch deren durchgreifende, postkinematische Kristallisation variscischen Alters ist, scheint danach unausweichlich. Die vorstehend geschilderten Beobachtungen werden in diesem Sinne nur zu einer Bestätigung der älteren Ergebnisse von F. SOLYOM unter gleichzeitigem Hinweis auf deren regionale Tragweite.

Literatur -Hinweise:

F. ANGEL: Diabase und deren Abkömmlinge in den Ostalpen; Mitt.Naturw.Ver. Stmk. 69.1932.
F. ANGEL: Mittelkärntner Diabase; Carinthia II, Klagenfurt 1934
F. ANGEL: Der Kraubather Olivinfels und Serpentinkörper usw.: - Fortschr. Min. 23. 1939, S. CIII, Exkursionsberichte.
F. ANGEL : Mineralfazien und Mineralzonen in den Ostalpen; Jahrb. Wiss. Univ. Graz 1940.
H. BECK : Geolog. Spezialkarte Bl. Hüttenberg-Eberstein 1935 und zugehörige Aufnahmsberichte in Verh. Geol. Bundesanst. Wien.
P. BECK-MANNAGETTA: Die wurzellose venitische Metamorphose des Koralpenkristallin; Anz.Akad.Wiss.Wien 1949 Nr. 1.
P. BECK-MANNAGETTA: Die Auflösung der Mechanik der Wolfsberger Serie, Koralpe, Kärnten; - Jahrb.Geol.B.A.Wien, 94.1951.
H.P. CORNELIUS : Die Vorkommen altkristalliner Gesteine im Ostabschnitt der nordalpinen Grauwackenzone; Mitt.R.A. Bodenf.Wien 1941.
E. HABERFELNER: Die Geologie der österreichischen Eisenerzlagerstätten; Zs.Berg-Htt.-Sal.-Wesen 85.1937.
F. KAHLER: Der Bau der Karawanken und des Klagenfurter Beckens; Carinthia II,16. Sonderheft, Klagenfurt 1953.
K. METZ : Zur Frage voralpidischer Bauelemente in den Alpen; Geol.Rundschau 40.1952.
H. MOHR: Über einige Beziehungen zwischen Bau und Metamorphose in den Ostalpen; Zs.Deutsch.Geol.Ges. 75. 1923,Monatsber.
A. PILGER: Zur Gliederung der kristallinen Serien von Friesach in Kärnten; Berichte R.A.Bbdenf. Wien.1942.
R. SCHWINNER: Zentralzone der Ostalpen in F.X. SCHAFFER: Geologie von Österreich, 2.AufI. Wien (Deuticke) 19510
H. SEELMEIER: Die stratigraphische Eingliederung der Diabase und Diabastuffe des Christofberges bei Klagenfurt; Anz. Akad.Wiss. Wien 1938.
F. SOLYOM :Die petrographische und tektonische Entwicklung der Umgebung von Althofen in Kärnten; Dissertation Berlin 1942.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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