Felsner O. K. / 1938

 

Die NO Verwerfer der Karbonscholle von Nötsch (Gailtal).

Von Karl Oskar Felser (Aachen).

Allgemeine Übersicht :

Im Aufnahmsgebiet lassen sich drei Einheiten, die in mehr 1 oder weniger engem Zusammenhang stehen, unterscheiden:

1. Gailtaler Kristallin mit SO-NW bis O-W -Streichen und einem Fallen von 30 gegen S oder bis zur  Saigerstellung.

2. a) Altkristallin mit SO-NW bis O-W-Streichen;

    b) Karbonfolge mit gleichem Streichen und einem Einfallen von 60 bis Saiger gegen S.

3. Grödener Schichten mit SSW -NNO-Streichen und einem Einfallen von etwa 30 gegen SO.

Das Gailtaler Kristallin mit seiner sattelartigen Stellung ist als ehemalige Unterlage der Altkristallin-Karbonserie anzusehen. Über ihm wurde diese Einheit gegen N bewegt und wurde nördlich des Bruches von St. Georgen, der schon frühvariskisch (bretonisch) angelegt war, mit inverser Folge abgelagert. Die Schubweite kann nicht groß gewesen sein, da die Gesteine wenig beansprucht und die Fossilien nur gering zerbrochen sind. Daß das Altkristallin dieselbe Geschichte hinter sich hat wie das Karbon, geht aus den Dünnschliffuntersuchungen einwandfrei hervor (Mylonitisierung, gewirbelte und zerscherte Plagioklase und Biotite).

Beide tektonischen Einheiten: Gailtaler Kristallin und Altkristallin + Karbon werden diskordant von den Grödener Schichten von SO her überlagert. Die alpidische Gebirgsbildung wirkt sich wahrscheinlich nur darin aus, daß die gesamte Scholle gegen die Trias des Nordens angepreßt ist und der. "Quarzphyllit" des Gailtales seine sattelartige Stellung mit teilweiser Oberschiebung auf Altkristallin + Karbon erhält (posttriadischalpidisch). (Vergleiche 1 und 2.)

Die NO-Verwerfer:

Den jüngsten tektonischen Phasen dürften die SW-NO verlaufenden Verwerfer angehören. Man kann sie als Äquivalente der NO-Störungen im Bleiberger Erzrevier ansehen, an denen dort die zahlreichen Bergschläge beobachtet werden. Tschernig (3) stellte Untersuchungen ,darüber an und kam zu dem Schluß, daß sich an diesen Verwerfungen der noch andauernde Nordschub der Karnischen Alpen feststellen lasse. Nach W. E. Petrascheck (4) verwerfen die NO-Brüche des Bleiberger Erzreviers das dort herrschende einheitliche Fiederkluftsystem und sind somit jünger als dieses. Für die Fiederspalten wurde eine horizo1!tale Bewegung an der Linie des Talbruches angenommen, für die Haupt-NO-Brüche genügt jedoch ein Bruch von S, durch den sie als Scherspalten aufreißen. Nach Holler (5) stellt das westliche Ende der mit Hauptdolomit gefüllten Grabenscholle, das durch seine Dobratsch-Störung abgeschnitten wird, einen Keil dar. Dieser wird durch starken Süddruck gegen die Kalkschollen des Nordens gepreßt und erhält dadurch eine Osttendenz, die das Aufspringen der NO-Bruche bedingt.

Als einen genau so eingepreßten Keil kann man die Karbonscholle von Nötsch ansehen. Er wird begrenzt: im Süden durch den Bruch von St. Georgen, im Osten durch das Auffahren der Dobratschmasse und im Norden durch die bedeutende Störung gegen die Trias, die später nach Südwesten umbiegt und so auch die Westgrenze des Keiles darstellt. (Über diese Nordrandstörung wird weiter unten ausführlicher berichtet).

Dieser Keil der Karbonscholle wird nun dem ständigen Druck der sich noch jetzt gegen N bewegenden Karnischen Alpen ausgesetzt. Daraus erklärt sich das Aufspringen der NO-Verwerfer in der Richtung der scherenden Spannungen. Der früher sicher grade verlaufende Bruch von St. Georgen wird in Teilstucke zerlegt, je nachdem es den einzelnen Blöcken möglich ist, gegen N bzw. gegen NO auszuweichen. Diese Verstellung ist gleichzeitig mit einer Hebung oder Senkung verbunden.

Verlauf der einzelnen NO-Verwerfer:

Ein gutes Beispiel dafür gibt der erste NO-Verwurf westlich des Nötschgrabens im Taleinschnitt, der die Grenze zwischen Gailtaler Kristallin und Altkristallin + Karbon anzeigt. Vom P: 719 an der Straße nach Bleiberg werden dort die südlichen Hänge des nach NW verlaufenden Bacheinschnittes ausschließlich von dem dunklen, tonigen "Quarzphyllit" eingenommen. Eingeschaltet sind hier die Quarzitlage und die Bank mit kristallinem Kalk paläozoische Synklinale ähnlich der von Hermagor, Heritsch [6]; beide sind kurz oberhalb des Bachbettes aufgeschlossen. Nach etwa 300 m zeigt" sich im südlichen Gehänge eine starke Depression, die Ostseite des Einschnittes besteht aus dem teilweise herabgestürzten "Quarzphyllit", während die Westseite vollkommen von den Grödener Schichten eingenommen wird. Letztere: überschreiten das Bachbett und erst weiter im Westen tauchen die Schichten des Gailtaler Kristallins allmählich wieder auf; die ihnen untergeordneten Lagen u bilden nun mächtige Felsen im nördlichen Gehänge. Die Altkristallinfolge ist ebenfalls noch von der Störung betroffen, nach Norden vorgeschoben und in ihrer Mächtigkeit stark reduziert, genau wie das folgende Konglomerat. Jedoch erlischt die Störung bald; denn weiter gegen Norden konnten keine inversen Verhältnisse mehr festgestellt werden.

Weiter im Westen keilt das Altkristallin schließlich völlig aus, so daß jetzt das Karbonkonglomerat direkt an den südlichen "Quarzphyllit" grenzt. Letzterer steigt in nordwestlicher Richtung bis zu einer Höhe von 980 m auf, wird aber dort von einer zweiten Störung: dem Badstubverwerfer abgeschnitten. Diese Störung ist von Semmering in nordöstlicher Richtung über die Einsattelung westlich der Badstube bei Kapelle bis gegen P. 1304 verfolgbar. Westlich dieses Verwerfers bleiben alle Schichten weit gegen Süden zurück, so daß das Gailtaler Kristallin nur noch bis zu einer Höhe von 790 m reicht. Auch hier grenzt es direkt an die Konglomerate des Karbons. Ebenso wird der zweite Zug der Badstub-Brekzie abgeschnitten, da im Westen die Schichten des Oberkarbons weiter nach Süden hereinreichen.

Die nächste NO-Störung verläuft etwas östlich des Weges, der von P. 768 an der Straße Labientschach-Kerschdorf-Tratten nach Glabatschach führt, durch die ganze paläozoische Scholle bis zum Weg, der über P. 1429 des Badstubensattels führt. Die westliche Schichtfolge ist gegen Norden vorgeschoben und im Norden werden die pflanzenführenden Lagen des Oberkarbons von ihr gegen Westen abgeschnitten. Am gleichen Verwerfer schiebt sich die Triasscholle des Nordens nach Süden vor, und zwar verläuft die Nordgrenze des Karbons jetzt 500 m südlicher. Die Mächtigkeit der paläozoischen Scholle wird also sehr stark verringert. Im Süden, an der Grenze zu dem "Phyllit", tritt jetzt auch wieder ein schmaler Streifen Altkristallin auf.

Nördlich der Ortschaft Bach endet die Altkristallinserie wieder und der "Quarzphyllit" stößt nach Norden vor. Wir haben also auch hier einen NO-Verwerfer vor uns, obwohl man ihn nicht weiter nach Norden verfolgen kann. Nordwestlich von Kerschdorf tauchen Amphibolit + Granit wieder in der streichenden Fortsetzung des früheren Zuges auf und der "Phyllit" wird nach Süden zurückgedrängt. In Analogie wird man auch hier einen Verwerfer annehmen müssen.

Weiter gegen Westen konnte schließlich noch ein dritter durchgehender NO-Verwurf festgestellt werden. Er zieht östlich des P. 791 an der Straße etwa über P. 1172, bis er westlich des P. 1311 die Nordgrenze der paläozoischen Scholle erreicht. Die gesamte westliche Schichtfolge ist weit im Süden zurückgeblieben. Die Altkristallinserie beginnt schon kurz nördlich der Straße nach Tratten mit bedeutender Mächtigkeit. An sie grenzt im Gegensatz zu östlichen Schichtfolgen ein Tonschieferzug. Im Norden bei P. 1311 begrenzt wahrscheinlich die gleiche Störung noch einen Denudationsrest von Grödener Schichten.

Mehr kann über diese Störungen nicht ausgesagt werden, da das schlecht aufgeschlossene Gelände keine genaueren Beobachtungen zuläßt.

Nun noch kurz etwas über die Nordrandstörung der Karbonscholle: Sie fällt nicht mit der Dobratschstörung Hollers (5), die in der Trias verläuft, zusammen, sondern trennt weiter südlicher mit gewaltiger Wucht als primärer Bruch das Paläozoikum vom Mesozoikum. Gut aufgeschlossen ist sie an der Straßengabelung Nötschgraben-Erlachgraben, bedingt hier die Zertrümmerung der Grödener .Schichten und richtet sie sowie die Gutensteiner Schichtensenkrecht auf. Der Verlauf der Störung nach SO konnte, weil außerhalb des Aufnahmsgebietes liegend, nicht weiterverfolgt werden. Gegen NW trennt sie etwa bis zur ersten großen Biegung des Erlachgrabens das Karbon von den Gutensteiner Schichten, schwenkt dann nach SW um und bildet von nun an die Grenze gegen den Hauptdolomit.. An der Einsattelung der Badstuben wird sie durch den zweiten durchlaufenden NO-Verwurf um 500 m nach Süden verstellt und verfolgt nun eine schwach nordwestliche Richtung bis zur Windischen Höhe. Dort biegt die Störung gleich der Trias scharf nach SW um und muß sich westlich des Gasthauses Rauter mit dem Bruch von Sankt Georgen vereinigen. Soweit die Nordrandstörung der Karbonfolge beobachtet werden konnte, läuft sie also parallel der Dobratschstörung und der Grenze des Drauzuges gegen das Kristallin im Norden.

Übersicht der Tektonik der paläozoischen Scholle von Nötsch.

Es lassen sich folgende Phasen unterscheiden:

1. Bretonische Phase: dann Transgression der Nötscher Schichten über Altkristallin.

2. Konkordante Transgression des pflanzenführenden Oberkarbons (vielleicht alsepirogenetische Erscheinung der sudetischen Phase zu werten).

3. Asturische Phase: Schub nach Norden, überstürzte Lagerung, nördlich des Bruches von St. Georgen. Faltung der "Phyllite"

4. Saalische Phase: dann Transgression der Grödener Schichten.

5. Posttriadisch (alpidisch): Ausbildung der Nordrandstörung. Dann Aufschiebung des "Phyllites" auf Karbonfolge und letzterer auf die Trias.

6. Als jüngste Glieder die NO-Verwerfer. In ihrer Anlage diluvial (Heritsch), aber bis jetzt noch andauernd.

Literaturangabe:

1. Felser K. O.: Die Badstub-Breccie der Karbonscholle von Nötsch (Gailtal). - Zentralblatt f. Min. etc. 1936. Abt. B, Nr. 8.

2. Felser K. O.: Der Granit von Nötsch und seine Begleitgesteine. - Verh. d. Geol. Bundsanst. 1936, Nr. 9.

3. Tschernig E.: über Gebirgsschläge in den Kärntner Bleizinkerzlagerstätten. - Berg.- und Hüttenmännisches Jb., Bd. 80.

4. Petrascheck W. E. : Die mechanischen Gesetzmäßigkeiten der Bruchtektonik in Bleiberg, Kärnten. - Zentralbl. f. Min. etc. 1931, Nr; 9.

5. Holler H.: Die Tektonik der Bleiberger Lagerstätte. - Carinthia II, VII. Sonderheft 1936.

6. Heritsch Fr.: Die Karnischen Alpen, Graz 1936.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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