Tessensohn F. / 1972 |
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Einige neue Beobachtungen im Karbon von Nötsch, Kärnten.Von Franz TESSENSOHN, Hannover Das Karbonvorkommen von Nötsch in Kärnten liegt nördlich
des Gailtales am Fuße der Trias der Villacher Alpe. Es ist aus zwei Gründen
bemerkenswert: 1. weil es relativ fossilreich ist und in Schiefern u. a.
Productiden führt und 2. weil es, abgesehen vom Grazer Paläozoikum mit
einer ganz anderen Fazies, das bisher einzige Vorkommen von marinem
Unterkarbon zwischen der Karnischen Kette und den Karawanken einerseits,
der nördlichen Grauwackenzone andererseits darstellt. Durch seine Fossilführung
zog es schon von jeher das besondere Interesse auf sich; die besondere
intermediäre Position ist erst in letzter Zeit wieder lebhaft diskutiert
worden (H. W. FLÜGEL, 1964; R. SCHÖNENBERG, 1970). Das Vorkommen wurde und wird von Graz aus neu bearbeitet
(H. W. FLÜGEL, 1965; H. W. FLÜGEL & M. G. KODSI, 1968; M. G. KODSI
& H. W. FLÜGEL, 1970). Die neueste der zitierten Arbeiten bringt einen
zusammenfassenden Bericht mit einer klaren Gliederung in drei
Gesteinsserien und einer übersichtlichen Karte, in der die neuen
Ergebnisse und die alten Zitate aus der Literatur gut zu lokalisieren
sind. An diese grundlegende Arbeit mögen nun ein paar Beobachtungen angehängt
werden, die bei einer Begehung im Frühjahr 1971 in Nötsch gemacht
wurden. Diese Begehung war angeregt worden durch die ersten Veröffentlichungen
der beiden Autoren sowie durch eigene Arbeiten in den benachbarten
karbonischen Flysch-Bildungen der Karawanken. Sie diente in erster Linie
dazu, einen Eindruck von den faziellen Verhältnissen zu gewinnen und
diese mit dem Flysch zu vergleichen. Dabei wurden einige neue
Beobachtungen gemacht, die im folgenden aufgeführt werden. Anschließend
sollen kurz die faziellen Unterschiede zwischen Nötsch und dem Flysch der
Karawanken diskutiert werden. 1. Fund eines fossilführenden Schiefergerölls in der Pölland-Gruppe
Die Pölland-Gruppe (M. G. KODSI & H. W. FLÜGEL, 1970,
S. 14) ist gekennzeichnet durch einen großen Anteil von relativ mächtigen
Konglomeraten. Die Autoren führen als Gerölle neben Quarz Gneise,
Glimmerschiefer, Phyllite, Amphibolite und Quarzite an, also überwiegend
kristallines Material. In einem dieser Konglomerate an der Straße von Pölland
nach St. Anton wurde jetzt eine etwa 15 cm große Schieferplatte mit
Crinoiden gefunden. Nach einer Beurteilung des Materials durch H. W. FLÜGEL
und H. P. SCHÖNLAUB könnte es sich bei diesem Schiefergeröll um Altpaläozoikum
(Ordovicium?) handeln, wenngleich eine Zuordnung zur Nötschgraben-Gruppe
(Vise) nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Die Schieferplatte war im Gegensatz zu den gut gerundeten
Kristallingeröllen wenig bearbeitet, ein Hinweis auf relativ kurzen
Transport. 2. Beleg der normalen Lagerung des Lerchbachgraben-Profils Das Lerchbachgraben-Profil gehört nach M. G. KODSI &
H. W. FLÜGEL (1970) zur Nötschgraben-Gruppe. In diesem Bereim war von F.
HERITSCH (1934) und K. O. FELSER (1935) eine inverse Lagerung der
Schichten angenommen worden. Diese Annahme wurde von H. W. FLÜGEL (1965)
auf Grund von Geopetal-Gefügen in Kalken bezweifelt. KODSI (in M. G.
KODSI & H. W. FLÜGEL, 1970) führt als zusätzlichen Beleg das Verhältnis
der Stielklappen der Produc!iden, oben:unten = 8:1, an, das für eine
Einbettung in Lebensstellung spricht. Als weiterer Beweis für die normale Lagerung dieser Serie
kann der Fund einer Dictyodora liebeana in den Schiefern des
Lerchbachgrabens dienen. Dieses Spurenfossil legt seinen kegelförmigen
Bau stets mit der Spitze nach oben an (PFEIFFER, 1959; SEILACHER 1967).
Bei einem Spurenfossil läßt sich außerdem Umlagerung ausschließen, so
daß es sich hier um ein absolut zuverlässiges Kriterium handelt. Dictyodora wurde im Lerchbachgraben etwa 10 m unterhalb der
Productiden-führenden Bank in nach Süden fallenden Schiefern gefunden.
Die Spitze des Baus weist ebenfalls nach Süden, die Lagerung ist normal. 3. Vorkommen von Dictyodora liebeana in der
Productiden-fazies In allen mir persönlich und aus der Literatur bekannten
Vorkommen tritt Dictyodora liebeana nur mit anderen Spurenfossilien
vergesellschaftet auf. Im Profil des Lerchbachgrabens wurde Dictyodora nun
überraschenderweise zusammen mit Productiden gefunden. Der Fundpunkt
liegt am Weg nördlich des Lerchbachgrabens, etwas oberhalb vom Gehöft
(Fossilfundpunkt Nr. 1, Karte zu M. G. KODSI & H. W. FLÜGEL, 1970).
Die Schieferplatte, in der neben Dictyodora auch Crinoiden vorkommen,
stammt aus der Sohle des Weges, etwa 10 m unterhalb der an der Böschung
angeschnittenen Productiden-Bank. In diesem Bereich wurden auch
Zoophycos-Spuren gefunden. Nach bisheriger Auffassung (H. PFEIFFER, 1959; F.
TESSENSOHN, 1971) rechnete man Dictyodora zur kennzeichnenden
Spurengesellschaft paläozoischer Flysche, zur Nereiten-fazies SEILACHERS,
1958. Hier dringt Dictyodora jedoch in die nach SEILACHER flachere
Zoophycos-Fazies 'ein. (Diese Fazies steht nicht im Widerspruch zum
Lebensraum der Productiden.) Für diesen Fazies-Bruch von Dictyodora ist
folgende Erklärung wahrscheinlich: Bei den unreinen Productiden-Schiefern
mit ihrem Gehalt an organischer Substanz dürfte es sich um ein fast
ideales "Nahrungsmittel" für Sedimentfresser handeln.
Dictyodora scheint deshalb aus der "Nische" der tiefen Becken
vom Charakter der Flysch-Tröge in dieses Milieu ausgebrochen zu sein. Diese Beobachtung bedeutet aber, daß bei Spurenfossilien
eine reine Tiefenzonierung problematisch ist. Flysch-Anzeiger vermögen
wie in diesem Fall bei günstiger Konstellation sehr wohl in einen anderen
Fazies-Raum vorzudringen. 4. Auftreten von Dictyodora im Vise Diese Beobachtung ist allgemein gesehen nichts Besonderes,
hat aber für den lokalen Raum der Karnischen Kette und der Karawanken
eine gewisse Bedeutung. Dictyodora war bislang nur aus den
Hochwipfelschichten beider Gebiete und aus der Pölland-Gruppe von Nötsch
bekannt. Der Hochwipfel-Flysch wird nach allen neueren Ergebnissen (F.
FRANCA VILLA, 1966; H. P. SCHÖNLAUB, 1971 ; f. TESSENSOHN, 1971) in den
Bereich vom Namur bis Westfal eingeordnet. In Nötsch wurde Dictyodora nun
in den Schiefern des Lerchbachgrabens gefunden, die nach M. G. KODSI &
H. W. FLÜGEL, 1971, ins Vise gehören. Das bedeutet, daß Dictyodora hier
schon auftritt, bevor im angrenzenden Bereich der Flysch-Trog überhaupt
angelegt ist. Dort werden im Obervise noch Kalke sedimentiert (H. P. SCHÖNLAUB,
1971; F. TESSENSOHN, 1971). Vergleich
der Lithofazies von Nötsch mit dem Karawanken-Flysch
Nach der Beschreibung von H. W. FLÜGEL & M. G. KODSI,
1968, war ihre Pölland-Gruppe faziell am ehesten mit dem Flysch der
Karawanken vergleichbar. Die beiden etwa parallel verlaufenden
Hauptprofile in dieser Serie an der Straße zwischen Pölland und der
Windischen Höhe und im Bachriß westlich davon wurden deshalb begangen. Die wichtigsten Parallelen dieser Serie mit dem
Hochwipfel-Flysch liegen in der Lithologie, im Auftreten von Turbiditen
und im Vorkommen des Spurenfossils Dictyodora liebeana in den Schiefern.
Daneben zeigen sich aber ganz entscheidende Unterschiede in der Art der
Sedimentation: a)In der Pölland-Gruppe ist die Abfolge viel
unregelmäßiger als im Hochwipfel-Flysch. Die einzelnen Bänke sind mächtiger,
viel weniger durchhaltend und insgesamt viel gröber. Es fehlt die regelmäßige
Wechsellagerung Sandstein-Schiefer. b) Nicht alle Grauwaffien können als Turbidite
gedeutet werden, einige Bänke sind völlig ungradiert. c) Die Grauwaffien sind in der Regel reiner und
quarzreicher als im Hochwipfel-Flysch (Quarzgrauwa~en, M. G. KODSI &
H. W. FLÜGEL, 1970). Manche der mächtigen und gröberkörnigen Bänke
kommen lithologisch den oberkarbonischen Quarzkonglomeraten der
Auernigg-Molasse recht nahe. d) Auffällig ist auch das Fehlen der Siltsteine; in
der Pölland-Gruppe sind auch die feineren Bänder quarzreiche feine
Grauwacken. e) Die Dictyodora-führenden Schiefer sind weicher,
glimmerreicher und weniger ebenflächig spaltend als die Zwischenschiefer
im Flysch. f) Den auffälligsten Unterschied bilden die vielen
eingeschalteten konglomeratischen Bänke, die im Flysch in dieser Häufung
nicht auftreten. Neben gradierten Bänken mit einem unteren
konglomeratischen Abschnitt und einer oberen Grauwackenhälfte kommen
massige ungradierte Rutsch-Konglomerate vor. In diesen besteht die Matrix
aus tonigem Grauwackenmaterial. Geröll-Lagen und Nester in
spezialverfalteten Tonschiefern sind gute Belege für die Genese in Form
von Slumping. Die Parakonglomerate keilen seitlich rasch aus und werden
durch Schiefer vertreten. Einige wenige Schüttungsmessungen
an Schrägschichten in feinen fast siltigen Bänken, an Flute casts und an
Pflanzenregelung ergaben eine generelle Schüttung nach Westen. Die Vermutung von M. G. KODSI und
H. W. FLÜGEL, daß es sich bei der Pölland-Gruppe um eine randnahe
Fazies des Flysch-Troges handelt, erscheint zwingend und stichhaltig. Umso
wichtiger ist es unter diesen Verhältnissen, auf den hohen
Kristallinanteil der Pölland-Konglomerate hinzuweisen. Bei diesem
Kristallin handelt es sich überwiegend um metamorphes Material. Es muß
also im Norden mit einem metamorphen Hinterland gerechnet werden. R. SCHÖNENBERG, 1970, brachte
die Hypothese vor, daß der jungvariszisch angelegte FlyschTrog einem
altvariszisch metamorph gewordenen Paläozoikum südlich vorgelagert ist.
Um dies zu belegen, bietet Nötsch wahrscheinlich einen besseren
Ansatzpunkt als die Karawanken, wo bei Geröll-Analysen die
Herkunftsbeziehungen des Materials bereits sehr viel weniger deutlich
waren (F. TESSENSOHN) 1971 ). LITERATUR:
FELSER, K. 0. (1935): Vorbericht über die Neuaufnahme des
Unterkarbons von Nötsch, Gailtal. - Anz. Akad. Wiss., math.-naturw. Kl.,
72:203-204, Wien. FLÜGEL, H. W. (1964): Das Paläozoikum von Österreich. -
Mitt. Geol. Ges. Wien, 56:401-443, Wien. -(1965): Neue Beobachtungen im Unterkarbon von Nötsch, Kärnten.
- Anz. Akad. Wiss., math.-naturw .Kl., 25-37, Wien. -& KODSI, M. G. (1968): Lithofazielle Untersuchungen im
Karbon von Nötsch (Kärnten). - Anz. Akad. Wiss., math.-naturw. Kl., 1-5, Wien. FRANCAVILLA, F. (1966): Spore
nel Flysch Hochwipfel. - Giorn. Geol., 33:493-523, Bologna. HERITSCH, F. (1934): Rugose Korallen aus dem Unterkarbon
von Nötsch im Gailtal (Kärnten). - N. Jb. Min.
Geol. Paläont. Abh., 71:139-164, Stuttgart. KODSI, M. G., & FLÜGEL, H. W. (1970): Lithofazies und
Gliederung des Karbons von Nötsch. - Carinthia II, 7-12, Klagenfurt. PFEIFER, H. (1959): über Dictyodora liebeana (WEISS).
-Geologie 8, Berlin. SCHÖNENBERG, R. (1970): Das variszische Orogen im
Raume der SE-Alpen. - Geotekt. Forsch., 35:1-22, Stuttgart. SCHÖNLAUB, H. P. (1971) : Stratigraphische und
lithologisme Untersuchungen im Devon und Unterkarbon der Karawanken
(Jugoslawischer Anteil). - N. Jb. Geol. Paläopt. Abh., 138:157-168,
Stuttgart. SEILACHER, A. (1958) : Zur ökologischen Charakteristisk
von Flysch und Molasse. - Ecl. geol. Helv.,
51: 1062-1078. -(1967): Fossil behaviour. -
Sci. Amer., Vol. 217, No.2, 72-80, San Francisco.
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