Meixner H. / 1939                                                                       Textauszug

  Bericht über Dravit und Margarodit aus "Kärnten".

Von Heinz Meixner, Wien.
(Aus der Mineralogisch-petrographischen Abteilung des Naturhistorischen Museums).

Stücke von braunem Turmalin (Dravit) in silbrig glänzendem Glimmer ("Margarodit") aus Kärnten zieren viele Sammlungen. Diese "Kärntner" Minerale haben bei der Erforschung der Turmalin bzw. Glimmergruppe eine wichtige Rolle gespielt. Da nun auch die "Margarodit"-Zusammensetzung durch eine neue, in einer amerikanischen Zeitschrift veröffentlichte Analyse geklärt worden ist, kann über den "Kärntner" Dravit und den dazugehörigen Glimmer zusammenfassend berichtet werden.
Dravit (nach Drau= Dravegebiet) benannte Tschermak (I, S. 472) im Jahre 1884 die braunen, eisenarmen Magnesiaturmaline; Kunitz (2, S. 221) unterteilte in Dravit für Natronmagnesiaturmaline und Uvit für Kalkmagnesiaturmaline.
Ein lange bekannter Fundort von solchen braunen Turmalinen liegt in Dobrava bei Unterdrauburg, im nach dem Weltkrieg von Kärnten an Jugoslawien abgetrennten Gebiet. Die wahre Fundstätte wurde lange verheimlicht; die erste mir bekannte Erwähnung fand ich bei Fr. Mohs (3, S. 407), 1824: "gelblichbraune, zum Theil in sehr ausgezeichneten Crystallen, in apfelgrüne Varietäten des prismatischen Talk-Glimmers eingewachsen, ohnweit Windisch-Kappel in Kärnthen". Mohs lernte das Materialoffenbar am Joanneum in Graz kennen, wohin es mit der berühmten großen, von Abbe. Baron Wulfen angelegten Sammlung des Grafen Franz Egger im Jahre 1815 gekommen war. Rosthorn und Canaval (4, S. 169) in der ersten Kärntner Mineralogie: "Die sehr schönen weingelben Turmaline im Talkschiefer, von denen sich Exemplare im Joanneum mit dem Fundorte Kötulach in Kärnten befinden, konnten weder für sich, noch konnte bisher ein ähnlicher Talkschiefer im Graben von Kötulach nachgewiesen werden."
Hauer (5, S. 303) teilte 1864 von Laube angefertigte Analysen des braunen Turmalins (s. I. "Analysenübersicht") und des aus Glimmerblättchen bestehenden Muttergesteins (s. VI) mit: "Turmalin in Glimmer von Prevali in Kärnthen" eingesendet von Herrn Anton von Webern, zur Untersuchung mitgetheilt von Herrn Bergrat M. V. Lipold, analysiert von Herrn Dr. Gustav Laube"; damit war erkannt, daß das Einbettungsmaterial ein Kaliglimmer und nicht Talk ist.
Knapp nachher (1866) veröffentlichte Zepharovich (6, S. 283 ff.) kristallographische Angaben über den Turmalin und den Glimmer, den er nach einer neuen Analyse von Boricky zum Margarodit (s. VI) stellt; besonders wichtig ist die nun endlich sichere Fundortsangabe: Dobrava südöstlich von Unterdrauburg, die Zepharovich auf Grund der Angaben des Oberbergkommissärs Weinek, v. Rosthorns, Bergverwalters von Webern und J. L. Canaval s machen kann. "Windisch Kappel", "Kappel" und "Köttulach bei Gutenstein" waren falsche Fundorte!
Rammelsberg (7, S. 673; 8, S. 541; 8a, S. 395/396: 9, S. 288) hat sich mit der Ermittlung der wahren chemischen Zusammensetzung unseres braunen Turmalins besonders geplagt: s. II, III und IV.
Wie schon eingangs erwähnt, taufte 1884 Tschermak (1, S. 472) unseren braunen Magnesiaturmalin mit Dravit. Die letzte und neueste Analyse dieses Minerals von Dobrava (s. V) stammt von Kunitz (2, S. 214). Danach ist der Dravit von Dobrava bei Unterdrauburg jener Natronmagnesiaturmalin, der der theoretischen Endgliedzusammensetzung am nächsten steht. Daher kommt diesem Vorkommen bei der Erforschung der Isomorphiebeziehungen in der Turmalingruppe besondere Bedeutung zu.
Wülfing (10, S. 36-40) hat auch eine große Anzahl möglichst tadellos ausgebildeter (kleiner) Kriställchen von Dobrava goniometrisch vermessen, die Flächen (1010), (1120), (1011), (0221) festgestellt und das Achsenverhältnis
a : c = 1 : 0,4517 ±0,0004
berechnet; ferner hat er (10, S. 77-78) für verschiedene Wellenlängen Licht und Doppelbrechung nach der Minimalablenkungsmethode an Prismen gemessen:

Lichtart: Mittelwerte: ε                 ω                   ε-ω
C     1,6100 ± 0,0003     1,6321 ± 0,0005   -0,0221 ± 0,0002
D     1,6126 ± 0,0005     1,6351 ± 0,0006   -0,0225 ± 0,0003
E     1,6159 ± 0,0006     1,6388 ± 0,0006   -0,0229 ± 0,0003
F     1,6187 ± 0,0004     1,6419 ± 0,0007   -0,0232 ± 0,0003
G     1,6238 ± 0,0006     1,6476 ± 0,0008   -0,0238 ± 0,0005

An elf ausgesuchten Kristallen von Dobrava fand Wülfing (10, S. 90) die Dichte innerhalb der: Grenzen 3,037 und 3,033.
Schedtler (11, S. 561-563) 'beschrieb das elektrische Verhalten des Dobravamaterials (Abbildungen!).
Kunitz (2, S. 218, 219, 221) wertete die Messungen Wülfings in Verbindung mit seinen neuen Analysen (auch Dobrava !) zur Klärung des Zusammenhanges zwischen Chemismus, Licht-, Doppelbrechung und Dichte aus.
Über das Vorkommen ist seit Zepharovichs (6, S. 288) knappen Angaben nur wenig berichtet worden; Kieslinger (12, S. 125) fand Stücke davon bei Dobrava im der Koralpe gleichwertigen Gutensteiner Kristallin. Ich selbst suchte im Herbst 1934 zusammen mit meinem Freunde Dr. Wolf Pillewizer vergeblich nach anstehendem Material; von einem Bauer konnten wir einige beim Ackern gefundene große Dravitkristalle erwerben.
Braune Turmaline (ob von reiner Dravitzusammensetzung ist fraglich) fand ich im pegmatitisch injizierten Eklogit am Gertrusk (Saualpe) und braune Turmaline (Dravite?) fand im Koralpengebiet mehrfach von Kieslinger, Dr. Czermak (unveröffentlicht) und mir in allerdings gegen Dobrava abweichender Paragenese (Pegmatit/Marmor und ohne "Margarodit"-Glimmer) gefunden worden.
Inzwischen erhielt ich von Dr. Kahlereinen 7 mm langen ~ 3 mm dicken, säuligen, braundurchscheinenden Kristall aus dem Marmor ober Waldenstein an der Packer Straße; es ist Turmalin, u. zw. nach der verhältnismäßig niederen Lichtbrechung ein magnesiareicher, also wahrscheinlich wieder Dravit!
Flächen: a (1120) und m (1010).
Nun zum glimmerigen Muttermineral der Dravite: ursprünglich für Talk gehalten (3, S. 407; 4, S. 169) -selbst Kunitz (2, S. 216) gibt merkwürdigerweise wieder "Ta1kschiefer" als Muttergestein an -, nach Laubes (5, S. 303) unvollkommener Analyse (s. VI) ein Kaliglimmer. Nach der wohl auch nicht zuverlässigen Analyse von Botickys. VII) stellte Zepharovich (6, S. 285) unsern Glimmer zum Überhaupt zweifelhaften Margarodit.
Nach Tschermak (1, S; 506) ist Margarodit ganz allgemein nur als ein "Gemenge oder eine Mischung von Paragonit, Muskovit und etwas Margarit" aufzufassen.
Lange schon hatte ich mir vorgenommen, diese frage durch eine Neuanalyse an freundlichst von Herrn Dr. F. Kahler (Kärntner Landesmuseum in Klagenfurt) zur Verfügung gestelltem reinem Dobrava-Material zu klären. Diese Arbeit ist nun Überflüssig geworden: in einem der letzen Hefte des "American Mineralogist" erschien eine Studie von G. W. Volk (13, S. 257, 258, 259) mit einer Neuanalyse des Muskowits von "Dobrova, Corinthia" (s. VIII); auch die optischen Konstanten sind genau bestimmt worden.
na = 1,5512, nß = 1.5899, nγ= 1,5943. alle± 0,0003*), 2 V= 38°, γ-a = 0.0431γ-ß = 0,0044, ß-a= 0,0387.
F-D-Dispersilon = 0.0069.
Eindeutig geht daraus hervor, daß der Glimmer von Dobrava bei Unterdrauburg Muskowit ist, daß Zepharovichs "Margarodit" nur durch die fehlerhafte Analyse Botickys zustande kam.

*) Bei Volk (13. S. 258) sind offenbar einige Schreibfehler unterlaufen: bei unserem Muskowit wie auch bei allen von ihm untersuchten ist γ mit a vertauscht worden; statt a-γ gehört γ-a. statt a-ß gehört γ-ß und statt ß-γ ist ß-a zu setzen.

Analysenübersicht:
(Tabelle nicht berücksichtigt, siehe Originalliteratur!)

I: Turmalin von "Prevali". Kärnten. Anal.; G. Laube (5).
II ; Magnesiaturmalm von "Windischkappel".
Kärnten. Anal.; C. F. Rammelsberg (7).
III; Magnesiaturmalin von "Windischkappel". Kärnten. Anal.; C. F. Rammelsberg (8).
IV: Magnesiaturmalin von "Windischkappel" richtiger "Dobrawa bei Unterdrauburg". Kärnten. Anal.: C. F. Rammelsberg (9).
V: Dravit von Dobrava. Kärnten. Anal.: W. Kunitz (2).
VI: Kaliglimmer von "Prevali". Anal.: G. Laube (5).
VII: Margarodit von Dobrava bei Unterdrauburg. Kärnten. Anal. Boricky (6).
VIII: Muskowit von Dobrava. Kärnten. Anal. G. W. Volk (13).

Lesestoff:

(1) G.Tschermak: Lehrbuch der Mineralogie. 1. Aufl. Wien 1884.
(2) W. Kunitz: Die Mischungsreihen in der Turmalingruppe und die genetischen Beziehungen zwischen Turmalinen und Glimmern. Chemie der Erde. 4., Jena 1929. 208-251.
(3) Fr. Mohs: Grund-Riß der Mineralogie II. Dresden 1824.
(4) Fr. von Rosthorn und J. L. Canaval: Beiträge zur Mineralogie und Geognosie von Kärnthen. - Jb. Nathist. Landesmuseum f. Kärnthen. 2., Klagenfurt 1853. 113-176.
(5) K. R. von Hauer: Arbeiten. ausgeführt im chemischen Laboratorium der k. k. geologischen Reichsanstalt.
Jb. d. k. k. Geol. R.-A.. 14., Wien 1864. 303-305.
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1) Die Differenz auf 100.0 (? da 101.0 bei der Summierung herauskommt) soll B2 O3 + K2 O+ Na2 O beinhalten.
2) 10.5 soll die Summe der Alkalien und B2O3 (??) enthalten.
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(6) V. R. von Zepharovich : Mineralogische Mittheilungen. Sitzber. d. Wien. Akad. d. Wiss.. I. Abt. 54.. Wien 1866. 273-288.
(7) C. F. Rammelsberg: Handbuch der Mineralchemie. Leipzig 1860.
(8) C. F. Rammelsberg: Handbuch der Mineralchemie. 2. Aufl. Leipzig, 1875. Die bei mir mit “III" -bezeichnete Analyse wurde daraus in Doelters Handbuch der Mineralchemie II/2. S. 751. übernommen.
(8 a) C. F. Rammelsberg: über die Zusammensetzung des Turmalins II. Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie. 5. Reihe. 19., Leipzig 1870. 379-411; 547-582. Bei Brunlechner. (Die Minerale des Herzogthums Kärnten. Klagenfurt 1884) ist die Dravitanalyse falsch wiedergegeben worden.
(9) C. F. Rammelsberg: Handbuch der Mineralchemie. 2. Suppl. zur 2. Aufl. Leipzig 1895.
(10) E. A. Wülfing: Über einige kristallographische Konstanten des Turmalins und ihre Abhängigkeit von seiner Zusammensetzung, Programm zur 82. Jahresfeier der k. Württ. landwirtschaftl. Akad. Hohenheim. Stuttgart 1900. 1-99.
(11) H. Schedtler: Experimentelle Untersuchungen über das elektrische Verhalten des Turmalins. N. Jb. f. Min. usw., Beil. Bd. 4., Stuttgart 1886., 519~575. Taf. XXV. Fig. 28 und 29.
(12) A. Kieslinger: Geologie und Petrographie der Koralpe VI. Pegmatite. Sitzber. d. Wien. Akad. d. Wiss.. Abt. I. 137., Wien 1928.
123-142.
(13) G. W. Volk: optical and chemical studies of Muscovite. The Amer. Min., 24., 1939. 255-266.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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