Meixner H. / 1956

  Zur Molybdänmineralführung in Kärntner Pb-Zn-Lagerstätten.

Von Heinz MEIXNER, Knappenberg.
(Lagerstättenuntersuchung der Österr. Alpine Montangesellschaft).
Als Molybdänminerale sind in den Kärntner Blei-Zink-Lagerstätten die folgenden beteiligt:

Wulfenit, PbMoO4 tetragonal pyramidal
"Plumbum spatosum flavo-rubrum" von Annaberg in Niederösterreich (von BORN, 1772),
Kärnthlerischer Bleispath (von WULFEN, 1775),
Gelbbleierz (WERNER, 1789),
Wulfenit (W. HAIDINGER, 1841).

Ilsemannit, etwa Mo3O8•nH2O, amorph von Bleiberg, Kärnten (H. HÖFER, 1871).

Jordisit, MoS2 amorph von Freiberg/Sachsen (F. CORNU, 1909), von Bleiberg/Kärnten (H. MEIXNER, 1949/50; E. SCHROLL, 1950/53), aus Oregon (L.W. STAPLES, 1951).

Molybdänit, MoS2 dihexagonal dipyramidal Molybdänglanz.
Wulfenit ist seit der berühmten Monographie "Abhandlung vom Kärnthner Bleispath" durch Abbe WULFEN (1772) aus den Kärntner Blei-Zink-Lagerstätten bekannt. Die Problematik seiner Bildung war lange offen, obwohl A. BREITHAUPT (1, S. 243) im Jahre 1849 in genialer Weise bereits zu dem Schlusse kam: "Unter solchen Umständen scheint es sehr wahrscheinlich, daß das Molybdän in einer leicht zersetzbaren chemischen Verbindung, als ein uns noch nicht erschienenes Mineral vorhanden war".
Der Weg zur Klärung der Verhältnisse dauerte ein volles Jahrfhundert!
Wohl wurde schon 1871 in Kreuth von H. HÖFER das eigenartige, mit intensiv blauer Farbe in Wasser lösliche Mineral Ilsemannit entdeckt, doch wurde seine Bildung unter anderem von H. HÖFER, F. CORNU, R. CANAVAL u. E. DITTLER irrtümlich als Wulfenit-Nachfahre aufgefaßt .
F. CORNU (2) beschrieb im Jahre 1909 aus Freiberg in Sachsen "kolloidales" (amorphes) Molybdänsulfid unter dem Namen Jordisit, das er dort als die Muttersubstanz des Ilsernannit erkannte. Die naheliegende Folgerung dieser Entdeckung zur Genese des Ilsernannit von Bleiberg/Kreuth ist bis 1949/50 nicht gezogen worden.
Schon vor langem machte ich auf einige Nachrichten über andersartige Bleiberger Mo-Vorkommen aufmerksam (8, S. 133/134), die aber leider so kurz und unklar gehalten sind, daß die Beobachtungsgrundlagen daraus nicht zu ersehen sind; "HENTZE (4)1) schreibt wohl irrtümlich, daß in Bleiberg gelegentlich MOS2 dem PbS beigemengt sei; bei HERTEL(5, S. 115)1) scheint es sich nur um eine Vermutung zu handeln, wenn er sagt, der den Bleiglanz begleitende Wettersteinkalk enthielte überall Mo, woraus Wulfenit durch Umlagerung entstünde".
Die entscheidenden neuen Funde und Beobachtungen sind E. HOFFMANN und H. HOLLER (6) zu verdanken. Neben dem Oxydationsmineral Ilsemannit kam ein Molybdänsulfid vor, das HOLLER zunächst als "Molybdänglanz" angesprochen hatte, dessen nähere Untersuchung durch MEIXNER (9, S. 109; 10; S. 38; 11) und SCHROLL (13, S.339; 14, S. 12) aber zur Feststellung von Jordisit -amorphem MoS2 -geführt hat.
Die gegenüber Molybdänglanz viel stärkere Löslichkeit in Mineralsäuren und leichtere Verwitterung führt bei Jordisit regelmässig zum- Auftreten des intensiv blau gefärbten Ilsemannit, so daß dessen Nachweis direkt als Indikator auf Jordisit bezeichnet werden kann. Ältere Ilsemannitfunde und damit wahrscheinliche Jordisitvorkommen in ostalpinen Blei-Zink-Lagerstätten sind von MEIXNER (10,38-39) zusammengestellt worden. F. HEGEMANN (3, S. 694) hat inzwischen ausserdem Ilsemannit neben verwitterten Zinkerzen aus der Blei-Zink-Lagerstätte am Rauschenberg bei Inzell (Südostbayern) namhaft gemacht.
In der vorstehenden Arbeit von L. KOSTELKA (7) wurden sechs neue MoS2-Vorkommen des Bleiberg-Kreuther Raumes beschrieben, von denen die beiden ersten bereits bei E. SCHROLL (14, S. 13) erwähnt sind. SCHROLL (1.c.) nannte außerdem, die seit mehreren Jahren verbrochenen, derzeit unzugänglichen Vorkommen im westlichen Querschlag des Olgastollens und in der Cräliusvererzung. All diesen neuen "Jordisit"-Funden ist gemeinsam, daß trotz teilweiser Oberflächennähe keinerlei Verwitterung zu Ilsemannit zu beobachten war. SCHROLL (14, S. 14) hat bereits vermutet, daß Übergänge von amorphem Jordisit zu kryptokristallinem Molybdänglanz vorliegen könnten.
Herr Dr. KOSTELKA hat mir freundlichst eine Reihe von Proben aus den von ihm genannten "Jordisit"-Funden zur Verfügung gestellt. Die erzmikroskopische Untersuchung von Anschliffen aus diesem Material zeigt immer wieder, daß hier in den Eigenschaften von Jordisit ab

1)Die Zitatnummern sind auf die vorliegende Arbeit abgestimmt worden.


weichende, bereits deutlich anisotrope Aggregate vorliegen. In Übereinstimmung mit den inzwischen veröffentlichten Beobachtungen von, P. RAMDOHR (12, S. 677, Abb. 463) über Umwandlung des ursprünglich gelförmig ausgeschiedenen Jordisits vom Zirkelschacht bei Eisleben zu Molybdänglanz, waren hier dieselben Feststellungen zu treffen. Der Jordisit dieser neuen MoS2-Vorkommen im Bleiberger Gebiet ist bereit s zu Molybdänglanz umgestanden und bildet in dieser Form, keine Grundlage zur Ilsemannit-Verwitterung mehr.
Von großem, regionalgenetischem Interesse ist, daß kürzlich A. ZORC und A. BERTAPELLE (16, S. 114) für die reichlich Wulfenit führende Pb-Zn-Lagerstätte Mieß (Mezica) ebenfalls das Auftreten von Jordisit (nicht Ilsemannit) genannt haben. P. RAMDOHR (12, S.677) bemerkt dazu: "Ein mir vorliegendes Stück Jordisit von Mies in den Karawanken zeigte alle Übergänge von völliger Isotropie bis zu stark anisotropen Massen wie in Abb. 463" (vom Zirkelschacht bei Eisleben!).
Außer auf den amorphen Jordisit, der meist durch die tintenblaue Ilsemannitverwitterung auffällig wird, ist in unseren Pb-Zn-Lagerstätten also auch auf den ganz unscheinbaren, graphitähnlichen, sekundär aus Jordisit entstandenen Molybdänglanz zu achten.
Nachdem jahrzehntelang seit CORNUs Entdeckung (2) sich niemand mit Jordisit beschäftigt hatte, ist knapp nach meiner Veröffentlichung (11) die sehr wichtige Arbeit von L. W. STAPLES (15) über "Ilsemannite and Jordisite" erschienen, nach der der Verfasser diese Minerale in einem Zinnoberbergbau in Oregon (Kiggins mine) erkannt hat. Sowohl bei der Untersuchung seines Materials, als auch bei der genetischen Auswertung, in der STAPLES auch eingehend auf die Untersuchungen von HÖFER und CORNU für Bleiberg und Freiberg zu sprechen kommt, wurden völlig unabhängig praktisch die gleichen Ergebnisse mit meiner Arbeit erzielt und damit eine wertvolle Bestätigung erhalten.
Von ganz besonderem Interesse sind die paragenetischen Verhältnisse der Kiggins mine. Als Gangfüllungen in einem Andesit von wahrscheinlich miozänem Alter treten neben Zinnober, Antimonit, Pyrit und Kalzit die Molybdänträger Jordisit, mit häufiger Umwandlung zu Ilsemannit auf. Diese Hg-Sb-Vererzung ist bezeichnend für tief temperiert gebildete, epithermale Lagerstätten.
Da Molybdän in den letzten Jahren z.B. von F. HEGEMANN, W. SIEGL, und E. SCHROLL als Spurenelement besonders in bituminösen triadischen Schichtgliedern gefunden worden ist, neigen manche Autoren, z.B. auch L. KOSTELKA (7, S. 132) zur Annahme, daß das -kolloidal gefällte Molybdänsulfid (Jordisit---Molybdänglanz) unserer Pb-Zn-Lagerstätten als eine sedimentare Bildung anzusehen sei. Die oben angeführten Beobachtungen von Jordisit in einer epigenetischen Zinnoberlagerstätte durch STAPLES regen zu Vorsicht an. In dieselbe Richtung weisen die Feststellungen von P. RAMDOHR (12, S. 676, 678) über die nur mäßig warmen hydrothermalen Bildungen von über Jordisit entstandenem Molybdänglanz in den Mansfelder Rücken und von Bou Azzer (Marokko).
Besonders beachtenswert und aufschlußreich erscheint mir die regionale Verbreitung unserer Jordisit-Ilsemannit-Vorkommen. Die nun schon ziemlich zahlreichen Funde dieser Minerale im Ostalpenraum (von Mieß in Jugoslavien; vielfach im Gebiet Bleiberg-Kreuth und von Rubland in Kärnten; von der Grube Silberleiten bei Imst-Nassereith in Tirol; schließlich vom Rauschenberg bei Inzell in Südostbayern) stammen ausnahmslos aus den Blei-Zink-Lagerstätten! Die Trägergesteine Schiefer und Dolomite aus Karn und Nor unserer Trias sind an zahllosen Stellen aufgeschlossen, die genannten Molybdänmineralausscheidungen kommen jedoch nur in den Erzlagerstätten vor.
Aus diesen Gründen können meines Erachtens die Jordisitvorkommen nicht von den Blei-Zink-Vererzungen losgelöst werden, mit denen sie ja ,doch auch mineralparagenetisch verbunden erscheinen. Jordisit kam in Baryt eingewachsen vor (11, S.47). Auf Jordisit folgt nach E. SCHROLL (14, S. 40, 44) auch noch der Erzkalzit V. ob das Molybdän beim Bleiberger Typus auf lateralsekretionärem Wege aus Nachbargesteinen in die tiefthermalen Lösungen gelangte, ist eine andere Frage, die aus unmittelbaren Beobachtungen noch nicht entschieden worden ist. Die eventuelle Anreicherung kann nach den gegenwärtigen Beobachtungsunterlagen nicht gut von der Bindung an diese Lagerstätten gelöst werden.
Jordisit (amorphes MoS2) ist also einerseits das Muttermineral des Molybdänits (hexagonal. MoS2) in den Pb-Zn-Lagerstätten, in dieser Form ist er stabilisiert und weiteren Umwandlungen nur schwer zugänglich. Andererseits bildet er die Grundlage zur Ilsemannitentstehung. Auf Reaktionen von wässerigen Ilsemannitlösungen in der Oxydationszone von Bleilagerstätten habe ich die Bildung des Wulfenits bezogen (10, S. 40; 11, S. 50). Wie STAPLES (15, S. 611) anführt, kam F.L. HESS im Jahre 1925 zu einem zwar noch unbestimmteren, doch im Prinzip ähnlichen Schluß: "Ilsemannite, like wulfenite, is probably formed from some unknown mineral, perhaps a sulfide".
Auch SCHROLL,(14, S. 44/45) wendet sich gegen die früher vielfach vertretene Hypothese einer hydrothermalen Herkunft des Wulfenites: "Zur Bildung des Wulfenites kommt es in der Oxydationszone, wenn das in den Verwitterungslösungen befindliche Pb mit dem Molybdat in Reaktion treten kann. Das Mo wird nun unter Umständen durch die Verwitterung der primären sulfidischen Zwischenstufe, des Jordisites frei werden, bzw. aus dem in der Oxydationszone in Auflösung befindlichen Nebengestein stammen."
Ebenso sieht P. RAMDOHR (12, S. 677) im Jordisit von Bleiberg die Grundlage zur Bildung von Wulfenit.
Der unscheinbare Fund von E. HOFFMANN in der Bleiberger Lagerstätte und die kleine Veröffentlichung darüber von H. HOLLER (6) aus 'dem Jahre 1949 in einer der ersten Hefte unseres Mitteilungsblattes "Der Karinthin" hat somit nachhaltige Folgen gehabt. Nach jahrzehntelangem Stillstand kamen dadurch ganz neue Momente in die Fragestellung "Woher kommt das Molybdän auf den Blei-Zinkagerstätten?", worüber ich 1935 noch keine Antwort geben konnte (8). Gleichwohl ist auch heute noch lange nicht alles klar und gelöst. Die synthetische Darstellung von Wulfenit aus verwitterten Bleierzen und Ilsemannitlösungen ist noch ausständig. Weitläufige Diskussionen über die Bildung unserer Blei-Zink-Erzlagerstätten sind im Gange (vgl. den Aufsatz von F. KAHLER. Die plötzliche Auffindung von MoS2 in diesem Erzlagerstättentypus hat zwar manche Aufklärungen gebracht, doch auch, wie oft in solchen Fällen, neue Probleme aufgeworfen.
Bleiberg-Kreuth und die übrigen Lagerstätten dieses Typs aus dem Bereich des ehemaligen Kärnten haben seit nunmehr über. 180 Jahren bis zur Gegenwart wertvollstes Material zur Kenntnis der Minerale Wulfenit, Ilsemannit und Jordisit geliefert. Nach den Beobachtungen durch von WULFEN (1775), H. HÖFER (1871) und H. HOLLER (1949) erscheint nun, soweit es neue Molybdänmineralfunde betrifft, ein gewisser Abschluß erreicht zu sein.

Schrifttum:

A. BREITHAUPT: Die Paragenesis der Mineralien. Freiberg 1849.

F. CORNU: Natürliches kolloides Molybdänsulfid. Zs. f. Chemie und Industrie der Kolloide. 4., Dresden 1909, 190.

Fr. HEGEMANN: Die Herkunft des Mo, V, As und Cr im Wulfenit der alpinen Blei-Zinklagerstätten. Heidelberger Beitr. zur Min. u. Petr., 1., 1949, 690-715.

Y. E. HENTZE : Die Versorgung der Welt mit Mo, V, W. Zs. f.d. Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuß. Staate. 79., 1931, B.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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