Gasper R. & F. H. Ucik / 2006                                                                               Textauszug

 

Der ehemalige, in der Fachliteratur bisher unbekannte Schrotturm nahe der Hollenburg (Südkärnten) und die übrigen Schrottürme in Kärnten bzw. Österreich

Von Reinhold Gasper und Friedrich Hans Ucik


Obwohl angeblich schon um 5000 v. Chr. Schmuckgegenstände aus Blei angefertigt wurden (Norddeutschland, Russland), etwa 4000 v. Chr. die alten Ägypter und Sumerer Blei für Schminke und Dekorationen verwendeten (KUSCHNIGG & STEMMER 1994) und um die Zeitenwende die alten Römer Bleirohre, Bleireifen für Fässer und Wurfgeschosse aus Blei herstellten, ist die Verwendung von Bleischrot für Gewehrmunition sehr jung. In Kärnten war das Blei zwar schon in der Hallstattzeit bekannt, wie die zahlreichen Bleifiguren aus dem Gräberfeld von Fräg bei Rosegg beweisen- doch wurde der "Bleiberg" oberhalb von Villach erst 1333 erstmalig in einer Urkunde genannt.
Bei der Silbergewinnung aus komplex zusammengesetzten Erzen benötigte man möglichst silberfrei- es Blei, in dem sich das Silber beim Schmelzen anreicherte, um durch "Treiben" das Edelmetall von der Blei-Silberlegierung abzutrennen- Deshalb war im Mittelalter und auch später das reine Blei der Bleiberger Lagerstätten z. B. von den Tiroler Silbergewerken (u. a. Schwaz) sehr begehrt.
Erst 1814 errichtete der Bleihändler Simon Wallner auf den Mauern des ehemaligen Fuggerschlosses in Arnoldstein-Gailitz einen ersten hölzernen, nur 25 Meter hohen Schrotturm, um Schrot nach englischer Methode zu erzeugen (Gießen von geschmolzenem, legiertem Blei durch ein Sieb, Runden der Bleitropfen während des Falles durch eine hohe Gussröhre und Abkühlen der Schrotkugeln in einem wassergefüllten Bottich am Fußende der Röhre). 1817 erzeugte Wallner ca. 199 Tonnen Schrot, 1818 ca. 255 Tonnen. 1830 baute Wallner die Anlage aus, wobei der Turm auf 57 m erhöht wurde, wodurch auch gröberer Schrot er- zeugt werden konnte. Über Nachkommen Wallners gelangte der Turm durch Kauf 1880 an die Bleiberger Bergwerks Uni- on, die ihn mehrfach umbaute und modernisierte. Ende 1974 wurde die Anlage als letzte ihrer Art in Österreich stillgelegt und 1978 unter Denkmalschutz gestellt (KUSCHNIGG & STEMMER 1994).
Ein baulich abweichender Typ war der Schrotturm in Federaun, den 1824 die Firma Moritsch erbaute. Hier ersetzte eine hohe Felswand den eigentlichen hohen Schrotturm, so dass heute nach Abtrag des Fallrohres nur mehr bescheidene Mauerreste am Fuß der Felswand an diese Erzeugungsanlage für Schrot erinnern; sie wurde aus wirtschaftlichen Gründen 1886/87 stillgelegt.
Völlig verschwunden ist ein angeblich 70 hoher, hölzerner Schrotturm, den 1818 Ferrari della Torre ebenfalls unter einem hohen Felsen in Judendorf bei Villach erbaute. Von dieser Anlage ist nichts mehr erhalten (KUSCHNIGG & STEMMER 1994).
Die Firma Josef Rainer, eine der bedeutendsten Bleiproduzenten Kärntens in ihrer Zeit, erbaute 1824 in Gurlitsch bei Krumpendorf einen 67 m hohen gemauerten Schrotturm; bald nach dem Erwerb der Besitzungen des Bleigewerkes Rainer durch die BBU im Jahre 1893 wurde die Schrotturmanlage stillgelegt. Die Werkshalle am Fuße dieses Klagenfurter Wahrzeichens, das auf alten Stichen, Lithografien und Aquarellen vielfach abgebildet wurde, ist leider in den letzten Jahren zur Ruine geworden.
Auch beim ehemals zu Kärnten gehörenden Bergbau Mieß/Mezica (heute Slowenien) gab es Schrottürme. 1862 erbaute die bereits genannte Firma Rainer an einem Berg- hang in Scheriau/Zerjav einen hölzernen Turm, der aber nur bis 1884 (vor dem Verkauf an die BBU im Jahre 1893) in Betrieb stand und heute völlig verschwunden ist. 1924 wurde an die von der BBU 1914 in Scheriau/Zerjav erbaute Aufbereitung ein 56 m hoher Schrotturm angebaut, der bis 1982 in Verwendung stand (KUSCHNIGG & STEMMER 1994).
Außerhalb von Kärnten wurde von einem eigenartigen Schrotturm in Wien (!) im Gebiet des heutigen Bezirkes Favoriten berichtet. STURM (2004) beschrieb diesen näher- Auf dem Wienerberg (Bezirk Favoriten) errichtete Carl Johann Joseph Poitron 1825 einen nur 20 m hohen, schmalen hölzernen Turm, der aber durch einen 35 m, später 43,7 m tiefen brunnenartigen Schacht ergänzt wurde, sodass man eine Gesamtgusshöhe von 57 m erreichte. Diese Anlage wurde 1830 von der "k.k.-Bergwerks-Producten-Verschleiss Direction" erworben, die den schmalen, hölzernen Turm durch einen breiteren, gemauerten ersetzte. Um 1835 stand das Schrotgießereigebäude im Eigentum der "Gasbeleuchtungs-Gesellschaft in Wien", die es an den Zündrequisiten- Fabrikanten St. L. Romer, Edlen von Kisenyitzke verkaufte- Auf einer Ansicht aus 1843 ist der Schrotturm nicht mehr zu sehen.
Schroterzeugungen in Tirol (Biberwier bzw. Roveredo) erfolgten vermutlich nach alter Methode ohne Turm.
In der Fachliteratur völlig unerwähnt ist bisher ein Schrotturm etwa 750 m ostnordöstlich der Hollenburg bei Köttmannsdorf. Einer der beiden Autoren (Ucik) erhielt zwar schon vor etlichen Jahren vom Bundesdenkmalamt Klagenfurt einen Hinweis auf die Existenz des Turmes, konnte aber in der Fachliteratur keinen entsprechenden Hinweis finden. Es blieb Hern Reinhold Gasper vorbehalten, in diese Angelegenheit Aufklärung zu bringen. Irn heimatkundlichen Rosentalbuch von St. Singer (1934:255/256) _wird vorhandenes Mauer- werk als Reste alter Befestigungen angesehen, über welchen später ein jüngerer Schrotturm errichtet wurde. F. X. Kohla übernahm diese Angaben ohne nähere Überprüfung (1973, Erster Teil, S. 135). KASTRUN (2000) vermutet, dass ein alter Wachturm nach der Erfindung des Schießpulvers als Schrotturm genutzt wurde, was zeitlich nicht ganz zusammenpasst. Anrainer denken sogar an einen ehemaligen Pulverturm.
Im Franziszeischen Kataster aus 1827 findet sich die Eintragung "Schrottthurm" auf der Farz. 163, KG Tschedram, Gemeinde Maria Rain (an der Grenze zur Gemeinde Köttmannsdorf). Es ist hier knapp nördlich des Anwesens Adel im dichten Wald eine etwa 45 Meter hohe Felswand von Hollenburger Nagelfluh vorhanden, an deren Oberende sich 4 bis 5 m hohe, etwa 50 cm dicke Mauerreste finden. Zum Fußende führt ein noch heute deutlich erkenn- barer Fahrweg, von einer Gießhalle ist nichts erhalten. Der Weg zum Fuße der Wand ist in den Hang eingekerbt. In den Mauerresten sieht man einige Pfostenlöcher einer Gießplatt- form, für Befestigungen des Gießschachtes etc.
Dass ein Tunnbauwerk tatsächlich existierte, beweist eine Lithografie von J. Wagner (1845). Auf dem Blatt "Oberes Rosental" ist an der fraglichen Stelle mitten im Wald zwar klein, aber einwandfrei erkennbar ein ca. 15 m hoher, viereckiger Turm mit Dach zu sehen. Es war also (einschließlich der Wand) eine für das Schrotgießen nutzbare Fallhöhe von rund 50 bis 55 Meter vorhanden.
Offen bleibt die Frage, wer den Turm erbaut hat. Wo- her kam das Blei? Wurde er jemals in Betrieb genommen? Es fanden sich zu diesen Fragen bisher keine urkundlichen Nachrichten. Man darf daher vermuten, dass einer der in Windisch-Bleiberg tätigen Gewerken sich auch mit der Bleischroterzeugung beschäftigte, sodass auch das Bleimetall aus diesem Bergbau kam. JAHNE (1935) nennt aus dem frühen 19. Jahrhundert als Unternehmer Th. Obersteiner (Werkskompanie), Simon von Poheheim, Matthias Jandl, Alois Kugler, Klement Poschinger, Schamherger, Ohrfandl und Georg Heinrich, um 1850 Siegmund Hoffmann und Ignatz Walland sowie Thomas Kogler und Johann Fuchs. Sicherlich waren aber nur größere Unternehmer wie Poheheim, Obersteiner oder Jandl finanziell in der Lage, den Bau eines Schrotturmes zu verwirklichen. Geschmolzen wurden die Bleierze aus diesem Bergbau in Windisch-Bleiherg selbst sowie im Ortsteil Schmelzhütte südlich von Klagenfurt. Die weitere Verarbeitung des Bleischrotes fand in Strau bei Kirschentheuer statt, wo sich auch eine Bleiglättefabrik des Unternehmers von Pirkenau befand.

LITERATUR
JAHNE, L. (1935): Zur Geschichte des Bleibergbaues Windisch-Bleiberg. - Carinthia II, Verein "Naturwissenschaftliches Landesmuseum für Kärnten". Sonderheft 3, Richard Canaval Festschrift: 113-117. Klagenfurt.
KASTRUN, H. (2000): Maria Rain. Im Wandel der Zeit. Eigenverlag. KOHLA, F. X. (1973): Kärntner Burgenkunde, 2 Teile. 2. Auflage. Aus Forschung und Kunst. Band 17. Geschichtsverein für Kärnten. Klagenfurt.
KUSCHNIGG, I. & R. STEMMER (1994): Einzigartiges Industriedenkmal. Schrotturm Gailitz-Arnoldstein. - Eigenverlag.
SINGER, St. (1934): Kultur- und Kirchengeschichte des unteren Rosentales. Dekanat Ferlach.Eigenverlag.
STURM, W. (2004): "außer der Linie". Favoriten am Wienerberg. - Favoritner Museumsblätter Nr. 30. Museumsverein Favoriten, Wien.
WEHOORN, M., U. GEORGEACOPOl & P. W. ROTH (1991): Die Baudenkmäler der Technik und Industrie in Österreich. - Band 2: Steiermark Kärnten. Böhlau Verlag, Wien-Köln-Weimar. S. 132-133.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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