Walter F., K. Ettinger & K. Worel  / 2004                                                       Literaturauszug

  Babingtonit aus einer alpinen Kluft im Seebachtal bei Mallnitz, Kärnten

Von Franz WALTER, Karl ETTINGER und Kurt WOREL

Zusammenfassung
Der Erstnachweis von Babingtonit aus einer alpinen Kluft in den Ostalpen erfolgt mit der Mineralparagenese Quarz, Adular, Klinochlor, Titanit, Prehnit und Stilbit aus dem Seebachtal bei Mallnitz, Kärnten. Die Babingtonitkristalle sind chemisch stark zoniert gewachsen, weisen eine mittlere Zusammensetzung im Kern mit (Ca1.95 Na 0.01)1.96 (Fe2+0.76 Mn0.16 Mg0.11)1.03 (Fe3+0.96 Al0.05)1.01 [Si5 O14 (OH)], auf und besitzen gegen den Kristallrand hin eine zunehmende Substitution des Fetot gegen (Mn+Mg+Al) bis zu 0,76 Atome pro Formeleinheit (apfe). Aus paragenetischen Überlegungen vergleichbarer Mineralabfolgen kann die Bildungstemperatur für Prehnit-Babingtonit-Stilbit aus dem Seebachtal mit < 200°C angenommen werden.
Abstract Babingtonite for the first time is reported from an alpine fissure in the eastern Alps at the location Seebachtal/Mallnitz, Carinthia, in the paragenesis of quartz, adularia, clinochlore, titanite, prehnite and stilbite. The chemistry of babingtonite from Seebachtal exhibits a wide range of chemical zoning caused by substitution of iron and (Mn+Mg+Al), The crystal core is enriched in iron with a mean composition of (Ca1.95 Na 0.01)1.96 (Fe2+0.76 Mn0.16 Mg0.11)1.03 (Fe3+0.96 Al0.05)1.01 [Si5 O14 (OH)], whereas the rim chemistry is enriched in (Mn+Mg+Al) up to 0,76 apfu. The temperature of formation of prehnite-babingtonite-stilbite from Seebachtal is considered < 200°C, compared with published babingtonite parageneses.
Einleitung
Das seltene Mineral Babingtonit, Ca2Fe2+, Mn)Fe3+ [Si5O14(OH)], ist bezüglich der Mineralsystematik ein Kettensilikat, dessen vernetzte SiO4Tetraeder "Fünfer-Einfachketten" ausbilden. Babingtonit ist strukturell mit Rhodonit, Ca(Ca,Mn)Mn3[Si5O15] verwandt.
Die am häufigsten auftretenden Kettensilikate gehören zur Pyroxengruppe, die in ihrer Kristallstruktur "Zweier-Einfachketten" besitzen und somit [Si2O6] als Silikatsummenformel aufweisen.

Paragenetisch kommt Babingtonit in Zeolith führenden Gängen, in Klüften von basischen Vulkaniten, Graniten und Pegmatiten vor. Auch in Skarn vorkommen wurde Babingtonit gefunden und wird wegen seiner Morphologie häufig mit Augit (Pyroxen) verwechselt.
Der Originalfundort (Typuslokalität) für Babingtonit ist ein Pegmatitvorkommen bei Arendal in Norwegen.

Das trikline Mineral (Kristallklasse: triklin pinakoidal), meist grünlich-schwarz bis bräunlich-schwarz gefärbt, besitzt nur Pinakoide als Kristallformen und ist vor allem als Kluftmineral vollständig (idiomorph) entwickelt. So beinhalten die Hohlräume in den Pegmatiten von Baveno am Lago Maggiore (Italien) nicht selten einige Millimeter große Babingtonitkristalle in der Paragenese mit Kalifeldspat, Albit, Quarz und Hämatit. Aus alpinen Klüften ist Babingtonit erst von einem Vorkommen von Arvigo im Val Calanca in Graubünden (Schweiz) bekannt geworden. Dort tritt in Klüften eines Biotitgneises schwarz gefärbter Babingtonit in der Paragenese mit Epidot, Titanit, Prehnit, Adular, Chlorit, Calcit und Heulandit auf (GRAESER & STALDER 1976; ARMBRUSTER et al. 2000).
In Österreich wurde das erste Vorkommen von Babingtonit am Krennkogel, südliche Koralpe, Kärnten, entdeckt. H. Meixner berichtete 1978 in einem Vortrag, im Rahmen der Frühjahrstagung der Fachgruppe für Mineralogie und Geologie des Naturwissenschaftlichen Vereines für Kärnten, über das Kalksilikatvorkommen vom Krennkogel. Dort treten in Grossular-(Hessonit) und Vesuvian-führenden Gesteinen kleine dunkle Kristalle auf, die als Babingtonit bestimmt wurden (STEFAN 1978).
Fundort und Probenbeschreibung
Aus dem Seebachtal bei Mallnitz wurden alpine Klüfte mit teils spektakulären Mineralfunden beschrieben. So stammen die wohl größten Titanitkristalle Kärntens aus einer Kluft nahe dem Schleierfall westlich der Mittleren Lassacher Hütten (NIEDERMAYR et al. 1997). Etwas weiter westlich in diesem Fundbereich entdeckte einer der Autoren (K. Worel) auf der orographisch rechten Seite des Seebachtales, rd. 50 Höhenmeter über dem Talboden, eine alpine Kluft im Granitgneis. Die nur wenige cm-weite Kluft führt bis 2,5 cm große garbenförmige Stilbitkristalle auf Chlorit (Abb. 1).

Makroskopisch sind in dieser Paragenese noch Quarz (bis 4 cm) und bis 5 mm große Adular- und Titanitkristalle zu erkennen. Über diesen Mineralen tritt dünntafelig entwickelter Prehnit als dichter krustenartiger Belag auf. Zwischen den Prehnittafeln ragen zahlreiche bis 0,5 mm große, schwarz glänzende Kristalle heraus, die morphologisch dem Pyroxenmineral Augit ähnlich sind, aber röntgenographisch als Babingtonit bestimmt wurden (Abb. 2).
Mineraldaten

Der Babingtonit vom Seebachtal ist glasglänzend, schwarz bis grünlich-schwarz gefärbt, die Morphologie ist einfach und mit mehreren Pinakoiden beschrieben (Abb; 3 bis 6). Die Indizierung der Flächen von triklinen Kristallen ist ohne röntgenographische Einkristalljustierung nur bedingt möglich. Der Habitus ist kurzsäulig nach [010] bis dicktafelig parallel (010). Diese Indizierung beruht auch auf der für Babingtonit angegebenen Spaltbarkeit, vollkommen nach (001) und sehr gut nach (100), die nahezu rechtwinkelige Spaltrisse erzeugt (rund 93°) und in Abb. 4 auch gut zu erkennen ist. Die Kristalle sind teilweise leicht korrodiert, ihre Flächen wirken aufgerauht und weisen eine zunehmende Korrosion im Bereich der Spaltrisse auf (Abb. 4 und 6).
Als Paragenese wurden Quarz, Adular, Chlorit, Titanit, Prehnit und Stilbit bestimmt.
Die Mineralbestimmung mit dem Röntgenpulverdiffraktometer ist eindeutig bezüglich der Kristallstruktur von Babingtonit, kann aber in seiner Genauigkeit nicht zwischen den Eisen- und Manganendgliedern (Babingtonit, Ca2(Fe2+,Mn)Fe3+[Si5O14(OH)] bzw. Manganbabingtonit, Ca2(Mn,Fe2+)Fe3+[Si5O14(OH)]) unterscheiden. Daher wurde der Babingtonit aus dem Seebachtal auch chemisch analysiert.

Mikrochemische Analysen der Proben wurden an einem Rasterelektronenmikroskop (Jeol JSM-6310, mit einem energie(ED) und wellenlängendispersiven (WD) Spektrometer) bei 15 kV/4 nA Probenstrom auf Al bei einem Strahldurchmesser von ~1.5 μm angefertigt. Als Standards kamen folgende Minerale zum Einsatz: WD: Jadeit, (Na); FTopas, (F); ED: Granat, (Mg, Fe); Titanit, (Ca, Ti); Rhodonit, (Mn); Quarz, (Si); Korund, (Al), die Datenreduktion erfolgte mittels Phi-Rho-Z.
Auf einem Anschliff eines zirka 0,25 mm großen Babingtonitkristalles, welcher im BSE-Bild durch chemische Zonierung einen deutlichen Helligkeitsunterschied aufweist (Abb. 7), wurden 30 Punkte analysiert. Die Tabelle I zeigt die chemische Variation im Babingtonit vom Seebachtal, die vor allem durch die Elemente Fe, Mn, Mg und Al verursacht wird. Dabei ist eine negative Korrelation zwischen Fe und (Mn + Mg + Al) zu beobachten und es resultiert für den eisenreichsten (hellsten) Bereich die Mineralformel:
(Ca1.95 Na0.01)1.96 (Fe2+0.76 Mn0.16 Mg0.11)1.03 (Fe3+0.96 Al0.05)1.01 [Si5 O14 (OH)]
und für die eisenarmen, dunkelsten Stellen:
Ca1.94 (Fe2+0.53 Mn0.28 Mg0.27)1.08 (Fe3+0.75 Al0.21)0.96 [Si5.02 O14 (OH)].
In die (OH)-Position tritt bei einigen Analysen Fluor bis max. 0,09 Atome pro Formeleinheit (apfe) ein. Nach der Formelberechnung ist dieses Mineral als Babingtonit zu bezeichnen, da die Werte für Mangan-(apfe) bzw. Magnesium-(apfe) jeweils kleiner als Fe2+-(apfe) sind.
Im Anschliff einer weiteren Babingtonitprobe ist dessen Berührungsparagenese mit Chlorit, Titanit und Prehnit ersichtlich (Abb. 8). Aus den chemischen Analysen wurden folgende Mineralformeln berechnet: für Titanit Ca0.98 (Ti0.92 Al0.07 Fe2+0.03)1.02 (SiO4) (O0.9 F0.11)1.01 und für Klinochlor, (Mg2.78 Fe2+1.96 Al1.21 Ca0.02 Mn0.01)5.98 (Si2.83 Al1.17)4.00 O10 (OH7.95 F0.05)8.00.
Prehnit ist wie Babingtonit ebenfalls chemisch zoniert (Kern/Rand) gewachsen (Abb,9) mit einer mittleren Kernzusammensetzung von Ca1.96 (Al1.38 Fe3+0.60 Fe2+0.05)2.03 Si3.01 O10 (OH1.97 F0.03)2.00 und am Kornrand mit Ca1.96 (Al1.65 Fe3+0.25 Fe2+0.06)1.96 Si3.06 O10 (OH)2.00.
Diskussion
Der Babingtonit vom Seebachtal weicht in seinem Chemismus stark von der idealen Endglied-Zusammensetzung, Ca2(Fe2+,Mn)Fe3+[Si5O14(OH)] ab. Wie im Vorkommen dieses Minerals aus der alpinen Kluftparagenese in Arvigo (ARMBRUSTER et al. 2000) sind die Kristalle aus dem Seebachtal mit Mg2+ und Mn2+ angereichert, wobei diese Kationen das Fe2+ ersetzen. Zusätzlich ist auch ein bemerkenswerter Ersatz desFe3+ durch Al3+ (bis 0,21 apfe) gegeben, der im Babingtonit von Arvigo nicht festgestellt wurde. Die Babingtonitkristalle vom Seebachtal besitzen im Mikrobereich eine chemische Zonierung, die teils in Sektoren aber auch als rhythmische chemische Variation ausgebildet ist (Abb. 7). Beim Wachstumsbeginn (Kristallkern, hellster Bereich in Abb. 7) ist der Kristall mit Fetot= 1,72 (apfe) und (Mg + Mn + Al) = 0,32 (apfe) besonders eisenreich und wird gegen den Kristallrand hin zunehmend eisenärmer bis Fetot = 1,28 (apfe) und (Mg + Mn +Al) = 0,76 (apfe).
Paragenetisch bemerkenswert ist auch der eisenreiche Prehnit, der in der Kluft vor Babingtonit kristallisierte. Auch Prehnit besitzt eine chemische Zonierung (Abb. 9) mit einem Fe-reichen Kern (Fetot= 0,65 apfe) und einem eisenärmeren Rand (Fetot= 0,31 apfe).
Die Kristallisationsabfolge in der alpinen Kluft vom Seebachtal kann aufgrund der gegenseitigen Überwachsungen bzw. Einschlussbildungen mit (Adular, Quarz, Klinochlor) -Titanit -Prehnit -Babingtonit -Stilbit angenommen werden. Die unmittelbare Berührungsparagenese und Abfolge ist in Abb. 8 mit Klinochlor -Titanit -Prehnit -Babingtonit ersichtlich. Die Bildungsbedingungen für den Babingtonit (Kristallisation von Prehnit-Babingtonit-Stilbit) aus der alpinen Kluft im Seebachtal kann mit < 200°C angenommen werden, da ähnliche Zeolith-führende Paragenesen mit dieser Maximaltemperatur angegeben werden (ARMBRUSTER et al. 2000).
Der Nachweis von Babingtonit aus einer alpinen Kluft im Seebachtal bei Mallnitz, Kärnten, ist umso bedeutender, da dieses Mineral aus alpinen Klüften in den Ostalpen bisher noch unbekannt war und nur ein einziges derartiges Vorkommen in den Westalpen dokumentiert ist. Für Kärnten ist diese Mineralart nun für zwei Fundorte (Seebachtal/Mallnitz und Krennkogel/Koralpe) nachgewiesen, bei genauer Durchsicht ähnlicher Paragenesen (alpine Klüfte und Kalksilikate) ist jedoch mit weiteren Funden zu rechnen.

Literatur

ARMBRUSTER, TH., H. A. STALDER, E. GNOS, B. HOFMANN & M. HERWEGH (2001: Epitaxy of hedenbergite whiskers on babingtonite in Alpine fissures at Arvigo, Val Calanca, Grisons, Switzerland. -Schweiz.
Mineral. Petrogr. Mitt., 80:285-290.
GRAESER, S. & H. A. STALDER (1976): Mineral-Neufunde aus der Schweiz und angrenzenden Gebieten II. Schweizer Strahler, 4:158-171.
NIEDERMAYR, G., F. BERNHARO, H.-P. BOJAR, F. BRANDSTÄTTER, K. ETTINGER, B. MOSER, W. H. PAAR, W. POSTL, J. TAUCHER & F. WALTER (1997): Neue Mineralfunde aus Österreich XIVI. - Carinthia II,187./107.:169-214.
STEFAN, F. (1978): Bericht über die Frühjahrstagung der Fachgruppe für Mineralogie und Geologie 1978. - Der Karinthin, 79:41-45.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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